Filmkritik
Der Irrwitz des Friedens
Eine herzerwärmend-skurrile Komödie über den aberwitzigen Alltag und das groteske Zusammenleben im Bosnien-Herzegowina der Nachkriegszeit, wo sich die verschiedenen Ethnien immer noch feindlich gesinnt sind.
Friede herrscht. Doch er tut das mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit: Zwei Jahre nach Kriegsende leben in Bosnien-Herzegowina auf Grund eines Friedensabkommens verschiedene Ethnien im Zwist vereint nebeneinander her. Eine scharf bewachte Binnengrenze unterteilt das Land in Territorien. Schwarzhändler und Schieber verbinden hüben und drüben und sorgen dafür, dass der Markt floriert. Auch im bosnischen Städtchen Tesanj lebt man in gesunder balkanischer Unbekümmertheit mit der Diskrepanz zwischen friedlicher Fassade und einer Basis aus Korruption, Kriminalität, Prostitution und ethnischer Intoleranz florierender. Doch dann kündet US-Präsident Bill Clinton seinen Besuch an.
Aus dieser Situation entwickelt Pjer Zalica seinen ersten Spielfilm, der als betuliche Schilderung einer etwas aus den Geleisen geratenen Welt beginnt, zur zunehmend rasanten, aberwitzigen Tragikomödie. Denn so wie sich bisher alle, inklusive Polizeivorsteher, mit den schrägen Zuständen locker arrangierten, so arbeiten nun bis und mit Schwarzhändler Velija alle daran, Tesanj binnen sieben Tagen in einen Ort des Friedens und der Toleranz zu verwandeln, wo Demokratie das Zusammenleben der Völker im Alltag bestimmt.
Mit tief im Humanen wurzelndem, schwarzem Balkanhumor, wie man ihn ähnlich aus den Filmen von Emir Kusturica kennt, schildert Pjer Zalica den Wettlauf des Städtchens gegen die Zeit, der unter Aufsicht internationaler Beobachter abläuft. Die Feuerwehr gründet ein Orchester, das Gemeindewappen wird vermeintlich dem amerikanischen Geschmack angepasst und auf Vordermann gebracht. Die schwarz eingereisten Prostituierten verwandeln sich in Revuetänzerinnen und zelebrieren auf der Bühne bei Tanz und Musik das friedliche multikulturelle Zusammenleben.
Er habe während des Bosnienkrieges Dokfilme über den Krieg gedreht und sich gewünscht, Filme über den Frieden drehen zu können, meinte Regisseur Pjer Zalica. Er habe nach dem Krieg weiterhin Filme gedreht und entdecken müssen, dass Frieden schlimmer als Krieg sein könne. Dabei lernte Zalica den tragikomischen Optimismus zu verstehen, der den Menschen die Kraft verleihe, sich von einem schrecklichen Krieg und einem bitteren Frieden zu erholen.
Dieser tragikomische Optimismus prägt "Gori Vatra", seine geschliffenen Dialoge, die oft ins Absurde führenden Situationen und die herzhaft überzeichneten Figuren . Er macht diesen kleinen Film zu einer berauschend-ironischen Ode an die Hoffnung auf künftig vielleicht tatsächlich friedliche Zeiten.
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