Filmkritik
Die Braut im Grenzstreifen
An der israelisch-libanesischen Grenze versucht ein Dorf, über einen willkürlich gesetzten Grenzverlauf hinweg eine arrangierte Heirat durchzusetzen. Liebe und Politik erschweren das Vorhaben gewaltig.
Lamia (Flavia Béchara) ist eine junge Libanesin und soll die längst arrangierte Heirat mit ihrem Cousin Sami (Edmond Haddad) eingehen. Sami lebt im gleichen Ort. Doch die beiden trennen Welten. Denn seit der Annexion eines Teils des Dorfes durch die israelische Armee führt eine der unüberwindbarsten Grenzen der Welt quer durch dessen Mitte. Direkter Kontakt ist nicht erlaubt. Aber ein Teil des arabischen Protestes formiert sich auch im Aufrechterhalten alter Traditionen, und die Hochzeit soll allen Widrigkeiten zum Trotz durchgeführt werden.
Die Details werden mangels direkter Kontakmöglichkeiten auf dem üblichen Weg geklärt: Man tauscht sich per Megaphon über den Grenzstreifen hinweg aus. Mittendrin schiebt der junge Druse Ziad (Ziad Rahbani) auf seinem Hochsitz für die Israelis Wache. Durch die wenig diskrete Kommunikation kriegt er so ziemlich alles über die zukünftige Braut mit, und durch sein Fernglas hat er sich längst selber in sie verliebt.
Lamia wird der Gang durch die Sperrzone erlaubt. Drüben wird sie aber von ihrem Ehemann alles andere als überschwenglich begrüsst. Eine Rückkehr ist nicht möglich. Verunsichert wendet sie sich aus der Ferne dem jungen Grenzsoldaten zu.
Die Situation ist kompliziert. Doch Randa Chahal Sabbag, Tochter einer Libanesin und eines Irakers, weiss wovon sie spricht. Aufgewachsen in Tripolis war sie zwanzig, als im Libanon der Bürgerkrieg ausbrach. Geprägt von Erfahrungen der Heimatlosigkeit, leistet die Regisseurin ein Stück Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, allerdings bewusst ohne sich der üblichen Bilder zu bedienen. "Le Cerf-Volant" ist denn auch eine Geschichte über Krieg, in der nicht geschossen wird.
Statt dessen zieht sich eine stille Skurrilität durch den Film. Seien es die Megaphon-Duelle der früheren Nachbarn oder die armee-internen Auseinandersetzungen auf dem Wachtturm, die Regisseurin macht sich über die hoffnungslose Situation durchaus auch lustig. Dem schwarzen Humor stellt sie poetische Bilder einer entrückten Welt gegenüber, in welchen Fantasie und Realität nicht immer klar zu trennen sind. Dies führt leider dazu, dass primär die engagierte Idee des Films im Zentrum steht, die Menschen dabei aber unnahbar bleiben.
Trotzdem: Obwohl gelegentlich nahe am Ethnokitsch, gelingen Randa Chahal Sabbag einige wunderbare Momente, in welchen der groteske Alltag als Resultat einer verhängnisvollen Politik nur allzu sichtbar wird.
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