November Schweiz 2003 – 89min.
Filmkritik
Zerplatzte Bünzliträume
Das Kinodebut des Schweizer Regisseurs Luki Frieden ist ein melancholisch gedachtes und trist geratenes Familiendrama.
Geld allein macht nicht glücklich. Gleichwohl hockt, wenn mittwochs und samstags Helvetiens Lottokugeln rollen, mancher Eidgenosse mit einem Griffel in der Hand vor der Glotze. Nicht so Marianne Brunner in "November". Sie spielt nicht regelmässig, und als sie zu Halloween einen Sechser schiesst, erfährt sie dies bloss durch Zufall.
Herbstverhangen und verhalten beginnt Luki Friedens Kinofilmdebut und schildert das Leben der Kleinfamilie Brunner in einem Aussenquartier von Thun. Mutter Marianne (Charlotte Heinimann) ist Hausfrau, Gatte Paul (Max Rüdlinger) arbeitet als Versicherungsvertreter, die elfjährige Yvonne (Muriel Rieben) drückt die Schulbank. Die Brunners wursteln sich durch den Alltag, sowohl was ihre nicht eben rosige finanzielle Lage, als auch die nicht mehr frühlingsfrischen Gefühle angeht.
Die Eltern haben sich wenig zu sagen, aber gegen Yvonnes Traum vom Besuch bei ihrer Internet-Freundin in L. A. reden sie systematisch an. Ergo verdrückt sich die Tochter, wann immer es geht, von zu Hause und träumt zusammen mit dem einige Jahre älteren Iceman aus dem Haus gegenüber von Amerika.
Im Prinzip kommen also den Brunners die 2,8 Millionen Lotto-Franken gelegen. Doch bis die Eltern begreifen, wie man sich das Leben mit so viel Geld auf dem Konto gemütlich einrichtet und dass dies nur geht, wenn man gemeinsam an einem Strick zieht, spitzt sich das Verhängnis stetig zu. Geopfert wird dabei das unschuldige Kind.
Nein, vergnüglich ist die Story von "November" nicht. Aber in gewissen Punkten wahrhaftig: Dass nicht alle Lotto-Millionäre, von denen es allein in der Schweiz pro Jahr doch an die zwanzig gibt, glücklich werden, hat Luki Frieden säuberlich recherchiert und der Versuchung, die ursprünglich geplante flotte Lotto-Komödie zu drehen, deswegen erklärterweise widerstanden.
Tatsächlich gebührt Friedens Versuch, das Spektakuläre so unspektakulär zu gestalten, wie es realiter meist ist, eine gewisse Achtung. Auch das Casting ist nicht schlecht - Charlotte Heinimann spielt die gelangweilte Hausfrau mit Verve, May Rüdlinger überzeugt als Biedermann mehr als in manch anderer Rolle und Newcomerin Muriel Rieben als frustriertes Kind ist auch nicht ohne. Trotzdem überzeugt "November" nur teilweise. Friedens Flirt mit US-Filmen wie "Scream", "American Beauty" und "Stand By Me" zum Beispiel ist schlicht plump. Und die Vorwegnahme des Schlusses zu Beginn bringt den Film um einen Teil der Spannung, die er dringend bräuchte, um die Zuschauer bei der Stange zu halten.
Dein Film-Rating
Kommentare
November ist sehenswert - auch wenn der rote Faden immer wieder verloren wird. Das geht auf die Kappe des Regisseurs. Die DarstellerInnen sind überzeugend, der Schnitt und die Kameraführung hervorragend. Eine plumpe Annäherung an "American Beauty" kann ich übrigens nicht erkennen. "November" wird konkret wo sich "American Beauty" in Andeutungen ergeht. Aber ist es deswegen plump? Wieso ein Parallele zu "Scream" in der cineman-kritik herbeigeredet wird, verstehe ich nicht. Nicht jeder Film der eine Halloweensequenz beinhaltet, sucht Anleihen bei "Scream"... Gott sei Dank nicht. Dessen Plattheit mit "November" zu vergleichen lässt für mich eher Rückschlüsse auf die Oberflächlichkeit zu, mit der der Film bewertet wurde.… Mehr anzeigen
Trotz Martin Rapold hat der Film nichts mit dem Niveau von "Achtung, fertig, Charlie" zu tun.
Unbedingt anschauen!
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