Filmkritik
Hommage an die Soul Men
Der von Chris Hegedus und D. A. Pennebacker gedrehte Musikfilm "Only the Strong Survive" führt in Begleitung von zehn grossen Interpreten zurück in die Blütezeit des Memphis-Soul.
"Only the Strong Survive" - "Nur die Starken überleben” haben Chris Hegedus und ihr Gatte D.A. Pennebacker einen Song des legendären Jerry Butler belehrend ihren neuen Dokumentarfilm überschrieben. Das macht durchaus Sinn: Im Fokus stehen Soul-Grössen wie Wilson Pickett, Sam Moore, Mary Wilson, Ann Peebles, The Chi Lites, Jerry Butler sowie Rufus und Carla Thomas. An die 80 Jahre alt, sind die Genannten heute so etwas wie "letzte Überlebende": In den Sechziger- und Siebzigerjahren standen Sie bei den Plattenlabels "Stax" und "Hi" unter Vertrag und waren die grossen Stars des Memphis-Soul.
Obwohl der Disco-Welle den Soul 1975 abrupt zum Verebben brachte, liessen sich die Stars von damals sich nicht unterkriegen und sind bis heute ab und zu noch auf der Bühne anzutreffen. Hier setzt "Only the Strong Survive" an. Denn obwohl Hegedus und Pennebacker mit ihrem Film einen Ausflug in eine vierzig Jahre zurückliegende Musikepoche unternehmen, sind dessen goldener Kern die Aufnahmen einiger Konzerte, welche die Alt-Stars 1999 und 2000 gaben.
Im Zentrum von "Only the Strong Survive" stehen die Begegnungen mit Rufus Thomas und mit Sam Moore, dem heute noch lebenden Teil des einst umjubelten Soul-Duos "Sam & Dave". 82-jährig ist Thomas, als ihn Hegedus und Pennebacker bei einem Benefiz-Konzert filmen, das im Sommer 1999 zu Gunsten des Sängers Luther Ingram durchgeführt wurde. Er strotz nur so vor Vitalität, moderiert zusammen mit seinem jüngeren Partner Jay Michael Davis wöchentlich eine in Memphis äusserst populäre Radiosendung, in der er die längst als "Oldies but Goldies" geltenden Hits der Sechziger und Siebziger abspielt.
Höhepunkt des Filmauftritts von Thomas, der nach den Dreharbeiten leider verstarb, ist der Song “Night Time is the Right Time”, den er zusammen mit seiner ebenfalls singenden Tochter Carla vorträgt Quasi als Thomas’ Gegenspieler funktioniert Sam Moore. Er trägt seinen legendären Hit "Soul Man", aber auch "Hold On I’m Coming" und "When Something Is Wrong With My Baby" vor und wirkt dabei wunderbar spitzbübisch.
Doch Moore hat es nicht immer leicht gehabt: Offenherzig berichtet er während einer Taxi-Fahrt duch New York von seiner Einsamkeit nach dem Tod seines Partners und von Drogen-Exzessen, denen er nur dank seiner Gattin wieder entkam. Hegedus und Pennebacker verweben die Konzertaufnahmen und Geschichten von Thomas und Moore mit denjenigen ihrer acht anderen Protagonisten. Sie ergänzen die dargebotenen Anekdoten und Erinnerungen mit Archivmaterialien und stellen mit "Only the Strong Survive" einen emotionsstarken Musikfilm vor, der von leiser Nostalgie, aber auch dem ausgesprochenem Feingefühl seiner Macher gegenüber Mensch Musik geprägt ist.
Dieser bewegt sich in der Tradition von Wim Wenders' "Buena Vista Social Club" und von Sonia Herman Dolz’ "Lágrimas negras" und huldigt nicht nur einer verflossenen Musik-Epoche, sondern lässt diese auch wieder auferstehen. Und last but not least und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich Memphis und Detroit musikgeschichtlich traditionell immer wieder auszustechen suchen, ist "Only the Strong Survive" auch die schlagfertige Memphis-Antwort auf Paul Justins Detroit-Film "Standing In the Shadows of Motown".
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung