Open Water USA 2003 – 79min.

Filmkritik

Sterbensallein auf hoher See

Filmkritik: Simon Kern

Raffinierter Psychothriller um ein Urlauberpaar, das im Zuge einer Tauchtour auf offener See versehentlich mutterseelenallein zurückgelassen wird. Den nachhaltigen Horror generiert Regisseur Chris Kentis mit Beobachtungsgabe und einer vergleichsweise schlichten Inszenierung, die umso glaubhafter wirkt.

Es gibt gewiss für jede erdenkliche Lebenssituation einen Satz, den man gemeinhin unter keinerlei Umständen hören möchte. Eine verbale Sturmglocke, quasi. Auf einer Tour im offenen Meer dürfte die vom Tauchpartner besorgt geäusserte Frage "Wo ist das Boot?" zweifellos in diese Kategorie fallen. In Chris Kentis' cleverem kleinem Thriller "Open Water" funktioniert diese Dialogzeile zugleich als kürzestmögliche Zusammenfassung der Handlung.

Ausgesprochen wird sie von Susan (Blanchard Ryan), einer Mittdreissigerin, die sich mit ihrem Lebenspartner Daniel (Daniel Travis) Badeferien in der Karibik gönnt. Ein Highlight hätte der Tauchausflug ins offene Meer sein sollen, eine Verkettung unglücklicher Umstände beschert dem Pärchen dann allerdings die vielleicht bittersten Stunden seines Lebens. Beim allgemeinen Durcheinander an Bord des Tauchbootes werden nämlich zu Ende des Tauchganges zwei Urlauber doppelt gezählt. Als Susan und Daniel auftauchen, treiben sie mutterseelenallein auf hoher See.

Eine ganz und gar unerfreuliche, höchst bedrohliche Situation. Deren Ursprung erschreckend trivial sein kann, wie Regisseur und Drehbuchautor Kentis glaubhaft demonstriert. Für die Schrecken, die zuallererst unter der Wasseroberfläche lauern, bedient der Filmemacher sich nun nicht einfach der - tatsächlich vorhandenen - Haie als Bösewichte, auch wenn diese für etliche bange Momente sorgen. Sein Thriller ist weitaus raffinierter als der Horrorfilm mit computeranimierten Ungetümen, den manch einer wohl aus dieser Geschichte gemacht hätte.

Denn das eigentliche Grauen liegt darin, auf offener See zurückgelassen, dank Tauchausrüstung sowie vergleichsweise warmem Wasser länger überlebensfähig zu sein, als einem unter Umständen lieb sein kann. Nicht nur animalische Gewalt droht, sondern psychologischer Horror, als Daniel und Susan sich mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass ein quälend langsamer Tod droht. Dies rüberzubringen, gelingt Chris Kentis und seinem Darstellerpaar nicht zuletzt in exakt beobachteten Momenten wie jenem, als Susan und Daniel sich in der Verzweiflung gegenseitig mit Vorwürfen überbieten. So schafft dieser clevere Lo-Fi-Thriller, dass die Tauchferien erst mal gestrichen sind, dankesehr.

07.03.2022

4

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Kommentare

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movie world filip

vor 13 Jahren

Habe Ich noch mehr genossen wie The Reef. Realistisch und stark. Einfach und gut.


kalasin

vor 15 Jahren

Verweise da auf den guten Beitrag von Roberto.
Ach, dieses mimimi-Getue, Haien seien absolut friedliche Lebewesen und wir bösen Menschen und so, nur weil du noch nie von einem angegriffen wurdest... Löwen würden auch Menschen anfallen, wenn man durch ihr Rudel spaziert. Es ist völlig natürlich. Es wirft ihnen ja im Prinzip auch keiner dieses Verhalten vor. Wir wissen alle, der Mensch ist nicht die Leibspeise von Haien, aber wenn da ein hungriger Haischwarm ist und zwei Lebewesen, die da stundenlang rumzappeln, finde ich es nicht verwunderlich, dass da mal einer reinbeisst. Boykottieren? Ein Riesenwitz. Boykottier lieber der Weisse Hai.Mehr anzeigen


kalasin

vor 15 Jahren

Also ich fand den Film einzigartig. Warum kein Blockbuster? Weil das Budget nicht da war. Wieso Blair Witch? Film hat nix damit zu tun, ausser der Tatsache, dass es Handcams waren. Ich war vom Film gefesselt und er ging echt unter die Haut, nicht, weil grosse Schockmomente da gewesen wären (gab es ja nicht) oder sonst was, sondern weil er so real wirkt. Die Haie werden auch nicht, anders, wie da unten einer schrieb, als das 'Böse' dargestellt (vergleich der Weisse Hai), sondern als die Raubtiere, die sie sind (und das sind sie). Sie haben die Taucher nicht gepackt und gefressen, sondern lange beobachtet und immer näher usw... Wirkte nachvollziehbar für mich... Fand den Film nirgends langweilig, und die Musik war IMO perfekt.
Ich finde es prima, dass sie keinen Hollywood Blockbuster Schrott daraus gemacht haben. Und meinen Respekt davor, dass sie mit echten Haien im Wasser gefilmt haben. Hätte ich mich nie getraut.Mehr anzeigen


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