Rosenstrasse Deutschland, Niederlande 2003 – 136min.

Filmkritik

Deutsche Frauen für jüdische Männer

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

Die in den Nürnberger Gesetzen verankerte Rassenideologie der Nazis gehört zu einem der abscheulichsten und widersprüchlichsten Verfassungsgrundsätze der Menschheitsgeschichte. Margarethe von Trotta zeigt in ihrem Film "Rosenstrasse" jenen Widerspruch und die Absurdität dieses Gedankenguts anhand eines historischen Ereignisses auf, das bis vor nicht allzu langer Zeit nicht mehr als eine Fussnote in den Geschichtsbüchern war.

Im Winter 1943, während die Ostfront zerbrach und die Einkesselung Stalingrads die grosse Wende im Zweiten Weltkrieg einläutete, begann die grosse Hast der Nazis, die "Endlösung" voran zu treiben. Die Transporte in die Vernichtungslager fuhren mit noch grösserer Regelmässigkeit, und jene jüdischen Deutschen, die aufgrund ihrer Heirat mit "arischen" Frauen oder Männern bis anhin einen gewissen Sonderstatus zugesprochen bekamen, wurden nun ebenfalls für die "Evakuierung" vorbereitet. In der Berliner Rosenstrasse, wo sich das jüdische Versorgunszentrum befand, wurden im Februar 1943 unzählige Frauen und Männer aus Mischehen eingesperrt, was zu einem bis dahin nie dagewesenen Protest gegen das Regime führte. Die mit den Insassen verheirateten deutschen Frauen harrten eine ganze Woche lang vor dem Gebäude aus und erklärten mit ihrem Protest die gesamte ideologische Grundlage des Dritten Reiches für nichtig.

Regisseurin Margarethe Von Trotta bettet den Vorfall in eine fiktive Geschichte ein, die sie durch eine Reihe von Rückblenden in die Erinnerungen zweier Frauen erzählt. Die eine ist die New Yorkerin Ruth Weinstein (Jutta Lampe), welche als kleines Mädchen die Ereignisse an der Rosenstrasse miterlebt hat. Die andere ist Lena Fischer (Doris Schade), deren Mann im Versorgunszentrum festgehalten wurde. Die junge Lena (gespielt von Katja Riemann) nahm sich damals der neunjährigen Ruth an und half ihr nach dem Krieg, in die USA auszureisen.

Dass der Weg in die Vergangenheit über Erinnerungen geebnet wird, verleiht dem sehr sorgfältig ausgestatteten Film eine gewisse poetische Leichtigkeit, ohne die Geschichte zu verharmlosen. Gleichzeitig hält es Margarethe Von Trotta jedoch auch nicht für nötig, ungeschminkt alle Einzelheiten der damaligen Geschehnisse aufzeigen, was bei der Vielzahl von sehr direkten Filmen über den Holocaust für einmal auch angenehm ist. Von Trotta beschäftigt sich viel lieber mit ihren Figuren, die sie alle liebevoll, wenn auch manchmal etwas simpel zeichnet. Der emotionalen Glaubwürdigkeit tut dies jedoch keinen Abbruch, und die Regisseurin vermag die Zuschauer bis zu letzt an sich zu binden.

Die gesamte Besetzung mit Katja Riemann, Maria Schrader, Jürgen Vogel, Jutta Lampe und Doris Schade, die ihre Rückblicke und Erzählungen subtil vermitteln, sorgt für ein atmosphärisch dichtes Schaustück und einen gelungenen Tribut an jene Frauen, die sich mutig für ihre Ehemänner einsetzten.

07.06.2021

4

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