CH.FILM

Skinhead Attitude Frankreich, Deutschland, Schweiz 2003 – 90min.

Filmkritik

Weisse Haut - schwarze Masken

Filmkritik: Jürg Tschirren

Kaum eine andere Subkultur ist derart paradox wie die der Skinheads. Was als multikulturelle Jugendbewegung begann, in der jamaikanische Ska-Musik, Doc Martens-Schuhe und ab und zu eine kleine Rauferei im Mittelpunkt standen, wird heute in der Öffentlichkeit durch das Bild saufender, pöbelnder und mordender Rechtsextremer bestimmt. Der Westschweizer Dokumentarfilmer Daniel Schweizer hat sich mit "Skinhead Attitude" daran gemacht, die wahre Geschichte der Bewegung zu verfilmen.

In seinem Klassiker zur Jugendkultur "Subculture. The Meaning of Style" schrieb Dick Hebdige 1979 über die Ende der 1960er Jahre auftauchenden Skinheads: "In ihrer Haltung aggressiv proletarisch, puritanisch und chauvinistisch, kleideten sie sich in scharfem Kontrast zu ihren Mod-Vorgängern in einer einfachen Uniform, einer Art Karikatur des vorbildlichen Arbeiters: Bürstenschnitt, Hosenträger, kurze, weite Levis Jeans oder praktische bügelfreie Hosen, einfarbige oder gestreifte Ben-Sherman Hemden mit geknöpften Kragenspitzen und auf Hochglanz polierte Doctor-Marten-Stiefel." Mit den Mods teilten die Skinheads zwar noch den Gestus des Dandytums der unteren Klassen, doch die proletarischen Elemente des Mod-Stils wurden bis ins Groteske übertrieben. Um die eigene Lumpenidentität noch zu akzentuieren, suchten die frühen Skinheads bewusst die Nähe einer anderen Fraktion der Unterschicht: der westindischen Einwanderer. Skinheads übernahmen nicht nur Kleidungsgewohnheiten der jamaikanischen Rude Boys, sondern auch deren Vorliebe für Ska-Musik - alles getrieben vom Wunsch, das verlorenen Gefühl der Arbeitergemeinschaft zurückzugewinnen, wie Hebdige schreibt.

Doch die Verbrüderung von schwarzen und weissen Unterklassenjugendlichen erwies sich als extrem brüchig und konnte auf Dauer nicht durch die blosse Übernahme kultureller Codes gesichert werden. Schon 1972 kam es in Liverpool zu Krawallen, in denen sich die Skinheads mit weissen Engländern zusammentaten und Einwanderer der zweiten Generation angriffen. Ende der 1970er Jahre begann die rechtsextreme englische National Front ihre Propaganda gezielt auf die rauflustigen Skinheads auszurichten, und spätestens mit den Erfolgen von Ian Stuarts rassistischer Band "Skrewdriver" begannen Nazi-Skinheads das Bild der Szene in der Öffentlichkeit zu bestimmen. Daneben blieben bis heute diejenigen Skinheads in anteilsmässig grosser Zahl bestehen, die sich auf die traditionellen Werte der Bewegung berufen und links oder zumindest apolitisch denken.

Mit "Skinhead Attitude" wollte der Westschweizer Dokumentarfilmer Daniel Schweizer die wahre Geschichte dieser an Paradoxien reichen Bewegung verfilmen. Schweizer hat sich 1998 mit "Skin or Die" bereits der rechtsextremen Hammerskins angenommen und zeigt sich nun bemüht, die andere Seite des Januskopfes gleichermassen zu porträtieren. "Skinhead Attitude" funktioniert als Road-Movie, durch das uns die 22-jährige antirassistische Skinhead-Frau Karole begleitet. Gedreht wurde in der Schweiz, in England, Deutschland, Polen, Schweden, den USA und Kanada. Zu Wort kommen zunächst antirassistische Skinheads wie die Musiker Buster Bloodvessel ("Bad Manners"), Jimmy Pursey ("Sham 69") oder Roddy Moreno ("The Oppressed"), letzterer Gründer der "Skinheads Against Racial Prejudice" (SHARP). Später trifft der Regisseur in Schweden und den USA auch Nazi-Skins, die sich alleine schon ob ihrer hässlichen Kleidung von den stilbewussten traditionellen Skinheads unterscheiden.

Die Parolen der Rechtsextremen werden von Schweizer unkommentiert gelassen, sie bedürfen in ihrer Schlichtheit auch keiner Erläuterungen. Allerdings: Man hat das Gefühl, dass die Nazi-Skins hier lediglich aus dramatischen Gründen ihren Platz haben, als bedrohlicher Gegenpart der Hauptfiguren. Eine kritische Einordnung, die über die blosse Dämonisierung hinausgeht und nach gesamtgesellschaftlichen Ursachen für die Popularität rechtsextremer Einstellungen fragt, sucht man vergeblich. Eine verpasste Gelegenheit auch, dass die Rolle der Frau innerhalb der von Mythen der Männlichkeit dominierten Skinheadbewegung nur beiläufig abgehandelt wird: von Karole und einer Begleitern während eines Wurstessens.

Gegen Ende verliert "Skinhead Attitude" zunehmend an Spannung und klappert recht beliebig Skinhead Sub-Szenen in verschiedenen Ländern der Welt ab, derweil die Off-Kommentare des Regisseurs an Pathos gewinnen. Trotz der immer wieder interessanten und teilweise rührend nostalgischen Aussagen der Interviewten wird mit der hier betriebenen einfachen Gegenüberstellung von rechtsextremen und linken Skinheads - die "guten" apolitischen Skins in der Mitte - der Komplexität des Themas nicht Genüge getan.

18.05.2021

3

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Kommentare

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liluminay

vor 17 Jahren

Am anfang der DVD beim Menü läuft ein lied, wer von euch weiß, wie dieses lied heißt und von wem es ist? ich bin es schon seit wochen am suchen und find nix... bitte kann mir jemand helfen???!!!
mailt mir bitte auf tuefile1986@yahoo. de
DANKE!!!


sircedric

vor 20 Jahren

Da habt ihr wirklich meinen Beitrag gelöscht... ich kann doch nichts dafür wenn Euer Autor son Unsinn verzapft... Oha... wie zu DDR Zeiten... bin mal gespannt wie lange das hier drin bleibt!!!


littlegirlblue

vor 20 Jahren

Obwohl ich eigendlich keine Dokumentarfilme mag fand ich diesen sehr gut. Er zeigt dass die früheren Skinheads überhaupt nicht gewaltätig waren sondern einfach nur eine jugendliche Gruppe die gerne Ska-Musik mochten. Und er zeigt wie der Bruch nacher entstand zwischen den friedlichen Skinheads und den gewaltätigen, ausländerfeindlichen Nazis!!! Leute geht diesen Film schauen es lohnt sich wirklich!! Den über rechts extremismus sollte man viel mehr sprechen. Leider gibt es auch in der Schweiz noch sehr viele RechtsextremistenMehr anzeigen


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