Te doy mis ojos Spanien 2003 – 107min.

Filmkritik

Von der Notwendigkeit, sich selber wahrzunehmen

Filmkritik: Remo Bräuchi

Filme zum Thema häusliche Gewalt zeichnen leider allzu oft ein eindimensionales Bild von Opfer und Täter. Der engagierten spanischen Regisseurin Iciar Bollain gelingt mit ihrem Film "Te doy mis ojos" jedoch ein vielschichtiges Portrait zum Thema, ohne sich der gängigen Klischees zu bedienen. Ihr vielfach preisgekröntes Werk ist eine bewegende Geschichte über Gewalt in der Ehe - und über die Liebe.

In einer Winternacht flieht Pilar (Laia Marull) mit ihrem kleinen Sohn Juan (Nicolás Fernández Luna) panisch aus ihrer Wohnung in Toledo. Als sie an die Tür ihrer Schwester Ana (Candela Peña) klopft, hat sie lediglich einen kleinen Koffer bei sich. Geflüchtet ist sie vor ihrem Mann Antonio (Luis Tosar), weil sie Angst vor ihm hat. Angst vor seiner Eifersucht, vor seinem Jähzorn und seinen Fäusten.

Doch Antonio will, dass Pilar zu ihm zurückkehrt. Ihretwegen ist er bereit, sich in Therapie zu begeben. Dabei findet er die richtige Mischung aus Reue und Hoffnung, um Pilar an die schönen Zeiten ihrer Ehe zu erinnern. Schliesslich beginnen sie sich gegen den Widerstand von Ana wieder zu treffen, ganz zaghaft vorerst, bis sich Pilar an der Hochzeit ihrer Schwester entscheidet, wieder zu Antonio zurückzukehren.

Dass sich Regisseurin Iciar Bollain in ihrem Film für beide Seiten interessiert, fasziniert spätestens dann, wenn der Film Antonio bei seiner Therapie zeigt, einem Schritt, den wir ihm, dem "Täter", eigentlich nicht zugetraut hatten. Durch die Beobachtung der Beziehungsmuster zweier Leute, losgelöst von einer einseitigen Betrachtungsweise, entsteht ein spannendes Geflecht von Gefühlen zwischen zwei Menschen, die verzweifelt versuchen, ihre Ansprüche auf einen Nenner und ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Und ihre Liebe zu retten.

Ein emotionales Thema, für das Bollain erstklassige Schauspieler gewonnen hat. Luis Tosar kennen wir bereits aus "Los Lunes al Sol". Die relativ unbekannte Laia Marull ist jedoch eine Offenbarung. Wenn sie einem völlig verängstigten Tier gleich in der gemeinsamen Wohnung auf die Rückkehr ihres Mannes wartet, hin und her gerissen zwischen Angst, Hoffnung und Liebe, überzeugt Laia Marull in jeder Minute des Films. Sie schafft die schwierige Aufgabe, ihrer Figur auch Würde zu lassen, wenn sie ihrem Mann und Peiniger zum wiederholten Mal - wider besseren Wissens - eine Chance gibt.

Als Vorfilm zu "Te doy mis ojos" läuft der Kurzfilm "Busenfreundinnen" der Schweizer Regisseurin Gabriele Schärer ("Sottosopra").

18.05.2021

4.5

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Kommentare

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map1

vor 19 Jahren

feinfühlige Regie, grossartige Schauspieler


Gelöschter Nutzer

vor 20 Jahren

Die momentan in Spanien hochaktuelle Thematik wird nicht wie in anderen Filmen durch brutale Bilder und Gewalt aufgezeigt, sondern aus der Sicht der Frau dargestellt. Der Film baut eine kontinuierliche Spannung auf und endet mit einer gewaltigen Explosion. Ich auf jeden Fall war völlig zerschlagen, als ich das Kino verliess!
Unbedingt anschauen, super Film!Mehr anzeigen


amaia

vor 20 Jahren

Laia Marull überzeugt in jeder einzelnen Szene!


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