Filmkritik
Wender’sches Musikgedicht
Wim Wenders tastet - ausgehend von Skip James, Blind Willie Johnson und J.B. Lenoir - nach den Wurzeln des Blues. Sein Film ist, die Grenzen zwischen Dokument und Fiktion auslotend, schön wie ein Gedicht.
Vor fünf Jahren hat Wim Wenders in "Buena Vista Social Club" dem Amerikaner Ry Cooder und den alten Soneros Kubas die Referenz erwiesen. Er hat sich in seinem Film weniger auf bestätigte Histoire als viel mehr auf die ausgeprägte Fabulierkunst seiner Protagonisten und ihre Musik verlassen und damit eine Welle ähnlicher Dokfilme losgetreten, der mit "Only the Strong Survive" und "In the Shadows of Motown" einige der schönsten Musikfilm der letzten Jahre zuzurechnen sich.
Wenders hat zwischenzeitlich den auf einer tragikomischen Geschichte des U2-Musikers Bono beruhenden Spielfilm "The Million Dollar Hotel" inszeniert, kehrt unter den Fittichen von Martin Scorsese nun aber wieder zum Musik-Dokfilm zurück: "The Soul of a Man" ist der erste Film einer Serie mit Titel "The Blues". Die Serie umfasst sieben unter Martin Scorsese als Executive Producer und der Leitung renommierter Regisseure entstandene Filme, welche sich mit dem Wesen des Blues und dessen Einfluss auf die Menschen beschäftigen.
Im Zentrum von "The Soul of a Man" stehen Wenders' drei liebsten Blues-Musiker, die gewissermassen auch als "Urväter" des Blues gelten: Blind Willie Johnson, Skip James und J. B. Lenoir. Aufhänger - abstrus witziger Aufhänger! - von “The Soul of a Man” ist der Start der Voyager im Jahr 1977: Getragen von der irrwitzigen Idee, irgendwann in den Tiefen des Alls irgendwem von der Menschen Existenz auf dem Blauen Planeten Nachricht zu geben, fliegt im Bauch der Voyager der 1927 von Blind Willie Johnson komponierte Song "Dark Was the Night" der Unendlichkeit entgegen. Getragen von einer Off-Erzählung - Erzähler: Laurence Fishburne - umreisst "The Soul of a Man" in einer faszinierenden Montage von fiktionalen Sequenzen, alten Archivmaterialien und heutigen Dokumentaraufnahmen anekdotenhaft die Lebenswege der drei Protagonisten.
Im Zentrum des Films steht dabei die Spannung zwischen geistlichen und weltlichen Wurzeln des Blues; im Fokus der einzelnen Lebensgeschichten stehen wichtige Ereignisse und Erlebnisse, sowie die daraus hervorgegangenen Songs. Diese werden in alten Originalaufnahmen vorerst möglichst ungeschnitten einspielt, dann in zeitgenössischer Interpretation von heutigen Musikern wie Nick Cave, Lou Reed, T-Bone Bernett und Lucinda Williams nochmals vorgestellt. Wiewohl "The Soul of a Man" vor allem im Umgang mit der Musik etwas faszinierend Puritanisches an sich hat, wirkt der Film - traumtänzerisch die Untiefen zwischen Dokumentation und Fiktion auslotend - höchst poetisch.
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