A Dirty Shame USA 2004 – 89min.

Filmkritik

Die geile Botschaft

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Mit «A Dirty Shame» hat John Waters seine Arche Noah geschaffen. Ein Schiff, auf das sich alle möglichen Arten von sexuellen Perversionen haben retten können.

Als der notorische Dr. Krafft-Ebing vor über hundert Jahren in seiner «Psychopathia Sexualis» Fälle von sexueller Perversion vorstellte, geschah dies mit den besten therapeutischen Absichten. Die «gesunde» Gesellschaft sollte ein Bild davon erhalten, welche kranken Elemente sich in ihrer Mitte tummelten. Beim Aufklären dachte der Doktor aber gewiss nicht an Ferkel-Filmemacher wie John Waters. Dieser nämlich feiert in «A Dirty Shame» Dr. Krafft-Ebings Reich der sexuellen Abartigkeiten als utopischen Gegenentwurf zur gesellschaftlich herrschenden Norm.

Waters lässt seine Freakshow-Party an der Harford Road, einem Arbeiterquartier in Baltimore, steigen. Hier lebt die brutal normale Sylvia Stickles (Tracey Ullman) zusammen mit ihrem sexhungrigen Ehemann Vaughn (Chris Isaak) und Tochter Caprice (Selma Blair). Wäre da nicht das sexuell auffällige Verhalten der Tochter, die Familienidylle, wäre perfekt. Doch Caprice hat Schande über die Eltern gebracht. Nach einer Brustvergrösserung mit enormen Brüsten ausgerüstet, zog die Tochter nämlich durch die örtlichen Striplokale, weshalb sie von der Mutter jetzt in Verwahrung gehalten wird.

Doch nicht nur bei der Tochter stellt die Mutter einen zunehmenden Hang zur sexuellen Perversion fest, auch andere Bürger fallen plötzlich durch anzügliche Anmache auf. Und dann geschieht es: Sylvia wird, nach einem Schlag gegen den Kopf, selber zum sexuellen Biest. Ihre plötzliche Geilheit treibt sie direkt in die Arme von Ray Ray (Johnny Knoxville), dem Leader eines örtlichen Sex-Kults, dem zahlreiche Perverse (und gleichzeitig Opfer von Kopfnüssen) anhängen. Mit messianischem Eifer kämpft Ray Ray gegen die sich schnell radikalisierende Anti-Sex-Bürgerwehr und die unbedarfte Sylvia gerät zwischen alle Fronten.

Während der Clinton-Jahre, als der «Blow-Job» quasi zum guten Ton gehörte, verabschiedete sich Independentfilmer John Waters von jener Form der trashigen Provokation, die ihn in den 70er-Jahren berühmt gemacht hatte. Fortan sah man keine Leute mehr vor laufender Kamera Hundekot essen. Angesagt waren nun Gesellschaftssatiren, in denen Waters liebevoll zur Gegenutopie montierte, was er von seinen Reisen ins Pop-Universum an Denkwürdigkeiten mitgebracht hatte.

Inzwischen hat sich allerdings erneut viel verändert. Der Prüderie gelang unter G.W. Bush ein eindrückliches Comback und zum erfolgreichsten Independent-Film aller Zeiten - einst DAS Terrain freigeistiger Filmautoren - entwickelte sich 2004 Mel Gibsons bluttriefend-fundmentalistischer «The Passion of the Christ». Waters, König der Independentfilme, muss sich dadurch direkt herausgefordert gefühlt haben und so gestaltete er «A Dirty Shame», mit vielen religiösen Bildern und Bezügen gespickt, gleichsam als religiöses Credo.

So messianisch wie Gibson seinen Heiland ans Kreuz nagelte, so bekennend ergreift Waters nun Partei für sexuelle Perversion aller Art. Das geht in Ordnung, denn die «gute Botschaft» des «Pope of Trash» ist - im Gegensatz zu jener Gibsons - fröhlich, menschenfreundlich und witzig.

25.01.2021

4

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Kommentare

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dada27ox

vor 12 Jahren

trash vom feinsten. eine wunderbare Komödie, welche die doppelzüngige moral Betreff lust und sex aufgreift. tracy ullmann ist grossartig in ihrer "Doppelrolle" als spiessige, prüde Hausfrau contra lustvoller, hemmungsloser schlampe.


Gelöschter Nutzer

vor 19 Jahren

Tja, hätte nicht gedacht das ich jemals einen so primitiven Film sehen werde, schlägt so ziemlich alles was ich bisher gesehen habe. Unterste Schublade und trotzdem irgendwie lustig, nein, eher so schlecht dass er schon wieder gut ist. Für alle die den schlechtesten Film in ihrem Leben sehen wollen: -) Trash Pur!Mehr anzeigen


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