Filmkritik
Neuer Heimatfilm
Eine Satire auf die neue deutsche Familie, die sich durch eine wohlige Schwärze auszeichnet: Die Sprösslinge sind sexsüchtig, transsexuell oder gar europa-politisch aktiv. Regisseur Oskar Röhler interessiert sich für den aktuellen Stand der Dinge, und nicht, weshalb es dazu gekommen ist.
Drama, wohin das Auge reicht: Hans-Jörg (Moritz Bleibtreu, ungewohnt besetzt), Bibliothekar in der Unibibliothek, ist besessen von den Reizen des anderen Geschlechts und wird tagtäglich von den unzähligen Schönheiten in Mini-Röcken in seinem männlichen Unvermögen gequält (und sogar von Deutschlands Vorzeigemannsbild Til Schweiger zur Schnecke gemacht).
Sein grosser Bruder Werner (Herbert Knaup) kämpft als grüner Politiker um das europäische Dosenpfand, während Sohn Ralf seinen Platz in der Nähe der esoterischen Ehefrau (Katja Riemann) ergattert hat. Und die Transsexuelle Agnes, ehemals Bruder Nummer drei (Martin Weiss), ist gerade bei einer älteren Dame aus dem Nachtleben untergekommen, nachdem ihr erzkonservativer Liebhaber sie auf die Strasse gestellt hat.
Regisseur Oskar Röhler, der mit der Hommage an seine exzentrische Mutter - die Autorin Gisela Elsner - Furore gemacht hat ("Die Unberührbare"), reisst sämtliche Tabu-Themen aus der Talkshow-Kiste an und steuert in Richtung Übertreibungen jenseits jeder Wahrscheinlichkeit. Schuld an der Misere ist, so wird angedeutet, eine verheerende Kindheit, personifiziert in einem monsterartigen langhaarigen Vater, der in Kampfhosen durch seine fünfziger Jahre Villa stolziert und von Hans-Jörg der Kindsmisshandlung bezichtigt wird.
Im Gegensatz zu seinem Protagonisten Hans-Jörg, der seine Probleme aktiv zu lösen versucht und in einer Selbsthilfegruppe für Sexsüchtige anzutreffen ist (Martin Semmelrogge spielt einen Leidensgenossen), scheint Röhler gar nichts von Analyse-Wahn zu halten. Sein Werk, eng befreundet mit "American Beauty", macht lediglich Bestandesaufnahme und karikiert das Geschehen bis zum Exzess.
Dieses verzerrte Portrait spiegelt zwar Essentielles aus der aktuellen Zeit wider, und ist, obwohl psychologisch chaotisch, irgendwo berührend - die Verletzungen fühlen sich echt an. Streckenweise wird der Film aber ganz dem Klamauk überlassen. Und gerade die Titelheldin Agnes ist dermassen unklar gezeichnet, dass sie zu verschwinden droht. Sie, die an ihrem Leiden in dieser Welt sichtlich zu Grunde geht, bekommt nie ein Profil, das Mitgefühl zu wecken vermag.
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