CH.FILM

Downtown Switzerland Schweiz 2004 – 93min.

Filmkritik

Reality Check in Little Big City

Filmkritik: Irene Genhart

Als "eigenwillige, subjektive Chronik unserer Stadt" bezeichnen Christian Davi, Stefan Haupt, Kaspar Kasics und Fredi M. Murer ihr Gemeinschaftsprodukt "Downtown Switzerland". Tatsächlich stellen die vier Herren den seit langem zürcherischsten, vielleicht aber auch den politisch unkorrektesten aller Zürcher Filme vor.

Die Stadt, in der man lebt, unter die Lupe zu nehmen, hat filmgeschichtliche Tradition. 1965 nahmen Claude Chabrol, Jean-Luc Godard, Eric Rohmer und einige andere mit "Paris vu par..." die französische Metropole unter die Lupe. 1988 stellten Woody Allen, Francis Ford Coppola und Martin Scorsese ihre "New York Stories" vor, und 1991 erschien unter dem Titel "Montréal vu par..." ein Portrait der kanadischen Metropole, angefertigt von Atom Egoyan, Léa Pool, Denis Arcand und einigen ihrer filmenden Kollegen.

Nun haben sich vier in Zürich wohnhaften Schweizer Filmemacher - Fredi M. Murer, Kaspar Kasics, Stefan Haupt und Christian Davi - ihre Wohnstadt als Filmsujet vorgenommen. Mutter ihres Unterfangens scheint allerdings weniger ein kinematographisches Anliegen als vielmehr ein aus (politischer) Feinfühligkeit erwachsenes Bedürfnis zu sein: Seit Januar 2003, erzählen die vier, hätten sie sich regelmässig getroffen. Sie reden von einer nicht nur das Wetter betreffenden, schleichenden Klimaveränderung, einer härteren Gangart der Politik, einer wachsenden Verunsicherung, die damals festzustellen war, und von Menschen, die auf die Strasse gingen um zu streiken.

Statt lange zu reden und in endlosen Diskussionen ein Konzept zu erarbeiten, griff jeder der vier zu Mikrofon und Kamera und zog los, um dem Phänomen filmenderweise auf die Schliche zu kommen. Vom Herbst 03 bis im Frühjahr 04 gingen die vier in Zürich auf Ton- und Bilderjagd. Sie forschten nach der Fotogenität der Zwinglistadt. Sie setzten sich in Trams, stellten sich an Kreuzungen und auf öffentliche Plätze, erkletterten Kirchtürme und Hochhäuser, drangen in Büros, Wohnung und Geschäfte ein.

Sie beobachteten den African Football Club Zürich beim Training Match, waren dabei als die Frauen in Zürich nach Blochers Wahl zum Bundesrat Pfannendeckel schlagend durch die Strassen zogen, filmten bei Kunst-Performancen, in der Disco und bei politischen Versammlungen. Ab und zu haben sie einem Zürcher, einer Zürcherin, oder einem sonstwie mit der Limmatstadt verbundenen Menschen das Mikrofon vorgehalten, und ihn nach seiner Meinung zu Zürich befragt.

Im fertigen Film dann folgen sich in bunter Reihenfolge stille Stadtbilder, pointierte Zitate kleine Geschichten, die sich aus der Beobachtung einzelner Events oder Szenen ergeben. Anders als in den anfangs erwähnten Städte-Filmporträts, in denen die Beiträge der einzelnen Regisseure kenntlich gemacht und aneinander gereiht sind, ist in "Downtown Switzerland" nicht ersichtlich, wer was gefilmt hat. Das wirkt konzeptlos, ist aber genauso gewollt wie der Fakt, dass Personen der Öffentlichkeit namentlich gekennzeichnet sind, derweil Herr und Frau jedermann ihre Meinung zu Zürich namenlos preisgeben.

Man kann dem "Downtown Switzerland" Leerstellen und Einseitigkeiten vorhalten: Zum Beispiel fehlt dem von vier Männern gedrehten Film die weibliche Perspektive auf die Stadt. Man kann ihn aber auch einfach als das lesen, was er ist: Ein in seiner Vielseitigkeit einseitiges, aber sympathisches Porträt der Stadt Zürich zu Beginn des dritten Jahrtausends.

16.10.2020

3.5

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