Le mur Frankreich 2004 – 96min.

Filmkritik

Steine des Anstosses

Filmkritik: Senta van de Weetering

Der Titel sagt exakt, worum es in dem Dokumentarfilm von Simone Bitton, einer aus Marokko stammenden Jüdin geht: Um eine Mauer. Es ist diejenige, die Israel derzeit zwischen sich und den palästinensischen Gebieten errichtet. Die Filmemacherin greift damit eines der politisch brisantesten Themen der Welt auf und sucht doch einen Zugang, der so unpolitisch und so nahe am Leben ist wie möglich.

Die Mauer schafft Grenzen, die so klar nie verlaufen sind und die nicht einfacher werden, weil nun Betonelement an Betonelement gereiht wird. Manchmal kann man während des Films einfach nur staunen über den logistischen Aufwand, der da betrieben wird, um einen Stein an den nächsten zu fügen, bis Israel eingeigelt ist und die palästinensischen Gebiete aus- und abgeschlossen sind.

Einen handfesten Eindruck der Dimensionen der Mauer erhält man bereits während des Vorspanns. Lange, lange, lange wird da gezeigt, wie ein riesiges Betonelement aufgestellt wird. Diese bisweilen nervenaufreibende Geduld behält die Regisseurin Simone Bitton während des ganzen Films bei, während sie mit einem Politiker spricht, sich über die Innenausstattung der Wachtürme kundig macht, in langen Einstellungen beobachtet, wie orthodoxe Juden schwer bewacht eine Gebetsstätte aufsuchen oder Palästinenser das schwierige Unterfangen versuchen, einen Grenzposten zu passieren. Und auch ganz am Schluss, wenn sie dokumentiert, welch illegaler, umständlicher, aber bemerkenswert reger Verkehr in Jerusalem über Mauern und zwischen Lücken hindurch herrscht.

Der Film dokumentiert die Mauer mit ihren vielen Aspekten und Widersprüchen. Palästinische Arbeiter sind am Bau beteiligt. "Wenn Sie mich filmen, werde ich umgebracht", sagt einer. Ein israelischer Kibuzzbewohner zeigt ihr den Mauerverlauf in seiner Region und erklärt empört, dass ein palästinisches Dorf sich auf der einen Seite befinde und die dazugehörenden Olivenhaine auf der anderen, und dass diese deshalb für ihre Besitzer nicht mehr zugänglich seien.

Simone Bitton stammt aus Marokko, im Film spricht sie teilweise arabisch. Sie ist Jüdin, und im Film ist sie auch auf Hebräisch zu hören. Trotz Mauerbau fühle sie sich Arabien und Isreal gleichermassen zugehörig, sagt sie, und will von einem Psychiater wissen, ob das eigentlich normal sei. Ja, antwortet er, und sagt dann den Satz, der als Motto über dem ganzen Filmstehen könnte: "Das Normale ist aber hier die Ausnahme."

01.03.2005

4

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