Life is a Miracle Frankreich, Jugoslawien 2004 – 154min.
Filmkritik
Liebe im Minenfeld
Emir Kusturica ist nicht der erste, der das persönliche Unglück von Zivilisten im Krieg mit Komik kombiniert. "La vita e bella" hatte weltweit Erfolg, doch der Terror der Nazis ist lang her. Wenn die Greuel erst ein Dutzend Jahre zurückliegen und in rund zwei Flugstunden Entfernung unter den Augen der Medienöffentlichkeit verübt wurden, wie 1992 in Bosnien, kann das Lachen schon im Hals stecken bleiben.
Was passiert, wenn eine junge, hübsche und lebenslustige Krankenschwester bei einem warmherzigen und rücksichtsvollen Familienvater einquartiert wird, dessen Frau kürzlich mit einem Zigeunermusiker durchgebrannt ist? So wunderlich, wie uns der Titel weismachen will, wäre es nicht, wenn die beiden sich ineinander verliebten, bestünden nicht noch ein paar kleine Probleme: Sie stammt aus einer moslemischen Familie und soll als Geisel gegen den seit den ersten Kriegstagen verschollenen Sohn des serbischen Familienvaters ausgetauscht werden.
Die potentielle Liebesgeschichte steht also unter einem denkbar ungünstigen Stern, und das spätere Liebespaar gerät zwangsläufig und buchstäblich zwischen alle Fronten. Bevor es jedoch soweit ist und die Grausamkeit des Kriegs zuschlägt, wird aus dem prallen Leben auf dem Balkan geschöpft, das Emir Kusturica so unwiderstehlich zu filmen vermag: Ausgelassenheit, skurriles Personal und bizarre (Schienen-)Fahrzeuge sowie in den wichtigsten Nebenrollen die unvergesslichen Tiere - angeheizt von der kraftvollen Musik, die aus der Feder des Regisseurs selbst stammt.
Im Brennpunkt steht eine serbische Familie, die von Belgrad in ein bosnisches Dorf gezogen ist, weil der Vater, ein Ingenieur, dort seinen Traum von der Erschliessung der Gegend durch die Eisenbahn verwirklichen will. Die Mutter, eine Opernsängerin, dreht nun in der Provinz öfters fast und manchmal ganz durch, was der fussballbegeisterte Sprössling gut versteht, der nichts als seine Karriere bei Partisan Belgrad im Kopf hat.
Auch wenn kein idyllisches Familien- und Dorfleben geschildert wird, funktionieren beide über Volksgruppengrenzen hinweg. Reibereien gibt es überall, doch wir erleben in Nahaufnahme, wie das Klima systematisch vergiftet wird, bis Differenzen, die sonst mit einem verbalen Schlagabtausch geregelt wurden, im Rausch der chauvinistischen Propaganda zum Griff in den Waffenschrank führen.
Die Balance zwischen Posse und Drama, Verniedlichen und Dämonisieren hält das ausgezeichnete Ensemble, welches sowohl bei derben Spässen als auch mit subtilen Tönen überzeugt. Die Grenze zwischen visuellem Klamauk und fantastischen Einfällen ist fliessend, aber ein fliegendes Doppelbett ist in jedem Fall das beste Vehikel bei vermintem Terrain.
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