CH.FILM

Que sera? Schweiz 2004 – 90min.

Filmkritik

Wenn nichts mehr kommt

Filmkritik: Andrea Bleuler

Leben im Alter, wenn die Zukunft nur noch Nebensache ist, und die Gegenwart vor Langweile zu entschwinden droht. Dokumentarfilmer Dieter Fahrer hat im Altersheim Schönegg in Bern beobachtet und zieht keine weissen Handschuhe an, wenn er uns an den noch bevorstehenden schwierigen letzten Lebensabschnitt erinnert.

Claire Suter, Gottfried Zürcher, Lydia Baumann, Klara Mischler und Nelly Bloch haben ein langes, intensives Leben hinter sich. Doch die Zukunft verspricht ihnen nicht mehr viel. Ihr Eigentum ist auf ein paar Möbel und Erinnerungsstücke reduziert, "wie n'äs Vögeli im Näscht, nur furtflüügä cha mehr nima". Aber man leistet der Leere tapfer Widerstand, indem man sich pflegt, schminkt, sich wiederholt.

Dieter Fahrer will das Leben der Altersheim-Bewohner vollumfassend registrieren und thematisiert etwa Sexualität im Alter, er blendet aber auch unschöne Situationen nicht aus: Konflikte zwischen Mitbewohnern, Todeskampf, Langeweile - stillschweigend nebeneinander sitzen, und immer wieder auf die Uhr schauen, obwohl man nichts mehr erwartet. Viele Frauen, wenig Männer. Pflegepersonal von unterschiedlicher Begabung, das unheimlich viel zu leisten hat. Und nur wenige Angehörige, die am Leben ihrer betagten Eltern Teil haben.

Dann und wann entern die Dreijährigen von der Tagesstätte im oberen Stock das Altersheim und reissen die Alten ins Leben zurück. Zwar können sie nur beschränkt aufeinander eingehen, doch im Singen, Malen oder Spielen findet man sich trotzdem irgendwie.

Fahrer kündigt einen direkten Vergleich zwischen diesen Altersgruppen an, die beide nicht aktiv in unserer Leistungsgesellschaft sind - doch hat dieser Gedanke im Gesamten allzu wenig Gewicht, um tragend und spürbar zu werden. Das Endprodukt von Fahrers Recherchen ist in erster Linie ein Schreckensbild - ein riskanter Weg, um Anteilnahme zu fördern.

"Da hebt mer sich s'läbä lang sorg" - und wenn man dann hier ist, fragt man sich, was das nun gebracht hat. So die Quintessenz einer Bewohnerin, die einen von vielen ergreifenden und intensiven Momenten in diesem Film erzeugt. Doch an die Wünsche und Vorschläge für die letzte Zeit ihres Lebens kommen wir nicht heran. Mag sein, dass sich aus Diskretion diese Fragen nicht ergeben haben. Sie sind jedoch essentiell, um einen Dialog mit der noch leistenden Gesellschaft zu fördern, die, wenn sie überfordert ist, ganz einfach wegschaut.



07.06.2021

3

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Kommentare

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iriszaho

vor 19 Jahren

sehr beeindruckend und gefühlsbetont


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