Sommersturm Deutschland 2004 – 98min.

Filmkritik

Sturm und Drang

Filmkritik: Carole Koch

Homosexualität wurde im Deutschen Kino bis anhin kaum thematisiert. Mit dem Coming-of Age-Film "Sommersturm" will Marco Kreuzpaintner das Aussenseiterthema einem breiten Publikum zugänglich machen. Der Jungregisseur erzählt dabei seine persönliche Geschichte von der ersten Liebe.

Identitätskrisen im Kopf, Pickellandschaften im Gesicht, Achterbahnfahrten im Bauch und Rebellionen unter der Gürtellinie - wir kennen sie alle, die Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens. Tobi (Robert Stadlober) und sein bester Freund Achim (Kostja Ullmann) stecken noch mittendrin. Zusammen mit gleichaltrigen Jungs und Mädels trainieren sie im oberbayrischen Ruderclub RSC, wo zwischen Ruderboot und Umkleidekabine erste sexuelle Erfahrungen gemacht werden.

Als die Gruppe ins Zeltlager aufbricht, scheinen die feuchtesten Träume der Jungs der Erfüllung nahe. Obwohl sich statt der erhofften "Mörderbusen" nur die Mädchen des katholischen Teams aus Sachsen als Objekte der Begierde anbieten, tanzen am Lagerfeuer die Hormone. Erst als die Berliner Schwulen-Mannschaft "Queerschlag" am anderen Ufer ihre Zelte aufschlägt, kühlt sich die sexuell aufgeladene Stimmung kurzfristig ab. Während seine Kollegen zwischen klischierten Vorurteilen und hysterischer Ablehnung pendeln, fühlt sich Tobi von der Männergruppe angezogen.

Sex, oder zumindest die Hoffnung darauf liegt also nach wie vor in der Luft. Die Frage ist bloss, wer mit wem? Achim liebt Sandra (Miriam Morgenstern), Anke (Alicia Bachleda-Curus) liebt Tobi und Tobi ist schwul. Denn dass er mit Freund Achim mehr als nur um die Wette wichsen möchte ist längst vor dem Auftauchen der Querschläger klar. Aus den unbeschwerten Ferien wird ein stürmischer Sommer der ersten Liebe, der Suche nach der eigenen Identität und der Entscheidungen.

"Sommersturm", nach seinem Debut "Ganz und Gar" der zweite Film von Marco Kreuzpaintner, wurde am Münchner Filmfest mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Ein Lob dafür, Homosexualität nicht als Randgruppenproblem abzuhandeln, sondern in der Mitte der Gesellschaft anzusiedeln. Denn der 27-Jährige hat es geschafft, eigene Erfahrungen zu einer Geschichte zu verarbeiten, in der sich jeder wieder finden kann: Ob Mann oder Frau, Homo oder Hetero - letztendlich müssen sich alle mit denselben menschlichen Gefühlen und Unsicherheiten herumschlagen.

Der anspruchsvolle Balanceakt zwischen Tragik und Komik verlangt der Glaubwürdigkeit und Tiefe des Films jedoch zuviel ab. Zu erzkonservative Bayern oder zu tuntenhafte Homos bewirken zwar hie und da ein müdes Lächeln. Grundsätzlich gilt jedoch: Klischee olé. Abgesehen davon, dass diese Maxime weder der Ernsthaftigkeit der Problematik noch einem anspruchsvollen Humor gerecht wird, sind die abgelutschten Bilder auf die Dauer ziemlich langweilig. Schade, denn in Tobis Auseinandersetzungen mit Achim oder seiner ersten homosexuellen Erfahrung zeigt sich, wie viel Potential in Kreuzpaintner sowie seinen schauspielerischen Zugpferden Stadlober und Ullmann steckt. Kurzfristige Höhepunkte, die zwischen überzeichneten Figuren und flachen Dialogen leider zu schnell untergehen.

Für grossen Wirbel in unseren Kinos wird "Sommersturm" kaum sorgen. Mit Sicherheit aber dürften die Nachwuchstalente vor und hinter der Kamera einen frischen Wind in die Deutsche Filmlandschaft bringen und auch in Zukunft von sich hören lassen.

31.05.2021

3

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Kommentare

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julianne

vor 10 Jahren

Damals im Kino jetzt wieder mal auf DVD sensationell von A-Z!!!!!!!!


swisscowboy

vor 16 Jahren

erst jetzt kennegelenrt? Naja meine Schuld. Grossartiges Jugendkino mit allem was die Jugend bietet. Weder über noch untertrieben. Naiv, zärtlich, traurig, herzlich, einfach schön.


swisscowboy

vor 16 Jahren

verschlafen haben und habe jetzt den Film im Pro7 gesehen. Wunder, wunderschön. Traurig, rührend, naiv, jugendlich, einfach so.
Besser später als nie. Zum glück habe ich ihn aufgenommen und konnte ihn gleich nochmals schauen.


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