Die Tiefseetaucher USA 2004 – 118min.
Filmkritik
Melancholie in der Tiefsee
Wes Anderson schickt Bill Murray als exzentrischen Unterwasserforscher Steve Zissou auf die Jagd nach einem Riesenhai. Das Resultat ist eine wunderbar sentimentale Komödie, die ob ihrem obsessiven Detailreichtum fast auseinander fällt.
1998 drehte Wes Anderson den Film "Rushmore", der es nie in die Schweizer Kinos schaffte. Eine der schönsten Szenen, aus der Erinnerung zitiert: Bill Murray verharrt bewegungslos auf dem Grund eines Swimmingpools; die Arme um die angezogenen Beine gelegt, der Blick stoisch. Um ihn herum schwimmt ein kleiner Junge, dazu spielt ein ausgesucht melancholisches Lied der Kinks. Dieses eine Bild zeigte alles, was man über Murrays unendlich einsamen Herman Blume wissen musste. Die Figur des Mannes in der Midlife-Crisis nahm er mit viel Erfolg in "Lost in Translation" wieder auf. Wenn Murray nun als Steve Zissou sagt: "I know I haven't been at my best this last decade" könnte der Satz auch von Blume stammen. Und unter Wasser geht er auch wieder.
Steve Zissou ist ein Ozeanograph, der auf dem Forschungsschiff "Belafonte" die Weltmeere befährt. Wissenschaftliche Erkenntnis steht dabei nicht im Vordergrund. Zissou ist mehr Haudegen denn seriöser Forscher, droht lieber, aus Rache einen einzigartigen Riesenhai in die Luft zu sprengen, als sich um Artenschutz zu kümmern. Dementsprechend besteht sein "Team Zissou" aus allerlei schrulligen Typen wie dem ehemaligen deutschen Busfahrer Klaus Daimler (Willem Dafoe) oder dem brasilianischen Sicherheitsexperten Pelé dos Santos (Seu Jorge), dessen Hauptaufgabe darin besteht, portugiesische Versionen von David Bowie-Songs zu spielen. Später stösst noch Ned Plimpton (Owen Wilson - hier erstmals bei Wes Anderson nicht am Drehbuch beteiligt) dazu, der eventuell Zissous Sohn ist.
Was das Team an wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit fehlt, macht es in Stilfragen mehr als wett. Alle Mitglieder sind in einheitliche, schön geschneiderte Steve Zissou-Uniformen gekleidet; dazu gibt es für alle eine rote Zipfelmütze (wie der Patron des Films, Jacques Cousteau, sie trug) und Steve Zissou-Turnschuhe von Adidas - natürlich mit dem alten Logo. Das Auge kann sich kaum satt schauen an lauter liebevoll ausgesuchten Requisiten und herrlichem Set-Design (eine Kamerafahrt durch alle Kabinen der offen gelegten "Belafonte" ist besonders eindrucksvoll).
Was man dem Ozeanographen Zissou vorwerfen kann, gilt aber ebenso für Andersons Film als solchen: Er ist selbstverliebt, detailversessen und ohne Interesse, sich weiter zu entwickeln. Zissou legt mehr Wert auf graphisch ansprechendes Korrespondenzpapier als auf gute Tauchausrüstung - Anderson filmt lieber ein schön eingerichtetes Wunderkabinett, als eine richtige Story. Zissou ist ein ewiger Stenz, emotional kaum weiter als ein Teenager - Anderson hat seinen Filmen seit dem Erstling "Bottle Rocket" von 1996 kaum neue Elemente zugefügt, er hat es sich bloss in seiner kleinen Welt voll kurioser Figuren ein wenig gemütlicher eingerichtet. Und trotzdem: Wenn Zissou am Ende mit seinem Team im Unterseeboot sitzt und gerührt den majestätisch seine Kreise ziehenden Riesenhai beobachtet, braucht es schon sehr viel bösen Willen, diesen Typen und diese wunderbar sentimentale Komödie nicht ins Herz zu schliessen.
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Kommentare
Um die Filme von Wes Anderson zu mögen, muss man sich auf seinen sonderbaren Humor einlassen. Da fliegen surreale Dialoge durchs Bild, bei denen es nicht leicht fällt sie lustig zu finden, geschweige denn sie gedanklich in die Szene einzubauen. Meistens liegt das daran, dass sie platt sind wie eine Flunder oder sie passen zum zuvor Gesagten wie ein Kaktus zum Kalauer. Manche loben das Absurde Theater. Die ungeheure Personalfülle erschwert das Verständnis. Hilfreich sind Deko, wie die roten Wollmützen, die eine Hommage an Cousteau sein sollen und die wechselnden Spielstätten verhindern die Spannung (U-Boot, Ballonfahrt). Die animierten Viecherl unter Wasser sollen wohl den Kult bewirken. Dabei hat Anderson eine Promi Riege mit an Bord geholt, die den Kenner mit der Zunge schnalzen lassen kann. Leider verpuffen viele provokante Sätze im sinnfreien Gesprächsraum. Da springt nichts über, obwohl es im Bett und davor zu Meuterei und Ballereien kommt. Die Darsteller agieren im bodenlosen Raum und verblüffen einander mit unpassenden Aussagen: z.B. - ‘Wollen sie mit mir schlafen?‘ – ‘Das geht sie überhaupt nichts an.‘ Da fragt man sich: soll man weinen oder lachen?‘ oder hat Marcel Reich-Ranicki Recht, wenn er sagt: ‘Wir sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen?‘
Anderson hat weder die Qualität der Marx Brothers, noch die der Montys, weder Becket noch Genet. Es bleibt vieles auf der Strecke neben weinigen netten Einfällen.
Verstand aufs Regal, Emotionen auf Urlaub, und die Action zu durchsichtig. Was bleibt da noch? Der Jaguar Hai? Und den gibt’s nicht.… Mehr anzeigen
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