Iberia Frankreich, Spanien 2005 – 95min.

Filmkritik

Klatschen und Stampfen zu Spaniens Geschichte

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Der spanische Altmeister Carlos Saura holt erneut Spaniens beste FlamencotänzerInnen und -musikerInnen vor die Kamera, um mit ihnen eine Reise durch Spanien aufs Parkett zu stampfen.

Sara Baras, Manolo Sanlucar, Antonio Canales, José Antonio Ruiz, Aída Gómez, Enrique Morente sind die energisch klingenden Namen, die Carlos Saura für seine neuste Hommage an den spanischen Volkstanz Flamenco gewinnen konnte. Mit ihnen inszenierte er in "Iberia" einen episodenhaften Tanzfilm, wobei jede Episode einer spanischen Stadt oder einer Region gewidmet ist. Die traditionelle Trias des Flamencos: Gesang, Musik (Gitarre, Piano und Rhythmusinstrumente) und Tanz wird dabei ergänzt durch Elemente der klassischen Musik, dem Ballett und dem zeitgenössischen Tanz. Die Tanzaufführung findet in einem Filmstudio statt, was Saura allerlei Möglichkeiten der Kameraführung, Ausleuchtung und Videoprojektionen erlaubt und grossartig fotografierte Bilder erzeugt.

Im Laufe der Aufführung wird klar, was alles in diesem Gefäss Flamenco drin steckt. Aus den eleganten und erhabenen bis stolzen und zackigen Bewegungen spricht eine nationale Identität des Halbinselstaates Iberia. Immer wieder wird auf die Geschichte Bezug genommen, mit Tänzen und Melodien und nicht zuletzt traditionellen Kostümen, die etwa den maurischen Einfluss in Spaniens Kultur deutlich machen. Saura legt aber auch Wert darauf, ein Bild von Spanien bzw. vom Flamenco zu zeigen, das nicht in Tradition und Geschichte verhaftet ist, sondern durchaus aufgeschlossen ist gegenüber neuen Tanzformen der zeitgenössischen Tanzkunst. Flamenco ist darüber hinaus ein Tanz für Jung und Alt, für Puristen und Künstler, die neue Wege suchen. Das ausdrucksstarke Repertoire des Flamenco erzählt von wiederkehrenden Themen wie unerfüllte Liebe, Eroberung, Leidenschaft aber auch Geschlechterkampf und damit verbunden das zelebrieren von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit. Und dazu schlägt ein bedingungsloser Rhythmus den Takt, der geklatscht, gestampft oder getrommelt wird und die Geschichte vorantreibt.

Der Flamenco wird in Carlo Sauras Film zu einer Parabel über die Geschichte Spaniens. Und darin liegt auch die Gratwanderung dieser Tanzaufführung. Stellenweise kippt die Inszenierung des Symbols in Sozialpathos und Ethnokitsch. Vielleicht ist dieser Vergleich der Geschichte Spaniens mit dem Flamenco aber auch nur eine voreilige und kurzschlüssige Interpretation dieses Tanzfilms. Denn der Flamenco feiert sich letztlich einfach selber - und dabei werden für den Laien die Facetten des spanischen Volkstanzes spürbar und sichtbar gemacht. Der Film ist also durchaus ein lohnendes Erlebnis, mehr Spass werden allerdings die eingefleischten Tanzfans haben, welche die artistische Meisterleistung der TänzerInnen und MusikerInnen zu würdigen wissen. Ausserdem kommt er gerade rechtzeitig zum regelrechten Boom von Tanzfilmen im zeitgenössischen Kino.

24.09.2021

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