Filmkritik
Das Geheimnis der Jazzerin
Ein an Archivmaterialien reiches, historisch aufschlussreiches, seiner Protagonisten aber seltsam fern bleibendes Dokufilmporträt der Schweizer Jazzmusikerin Irène Schweizer.
64-jährig ist die Jazzerin Irène Schweizer heute - und nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der internationalen Bühne noch immer eine der Besten ihres Fachs. Höchste Zeit also, dass - nachdem in jüngerer Zeit eine ganze Reihe Dokfilme über Schweizer Musiker entstanden sind - endlich auch ein Filmporträt der Grande Dame des Schweizer Jazz gedreht wurde. Wobei der Begriff "Grande Dame", so sehr er auf die heute bei Konzerten vor allem Würde und Eleganz ausstrahlende Schweizer passt, mit Vorsicht zu geniessen ist: Eine Rebellin, eine den Jazz revolutionierende Musikerin, eine politisch engagierte "Emanze" war Schweizer in jüngeren Jahren. Und die Eigenschaft, die in Gitta Gsells Film als prägendste in Erscheinung tritt, ist Schweizers Burschikosität.
Gsell erzählt auf mehreren Ebenen. Sie zeigt Schweizer heute privat: Bei einer Wanderung, einem Jass mit Freundinnen und immer wieder: Schweizer im Wasser: beim Schwimmen im Zürichsee, im Bad von Vals, in einem verwilderten Seelein. Sie zeigt Irène Schweizer auf der Bühne: Während einer Südafrika-Tournee mit Louis Moholo; bei einem Solokonzert in Berlin, bei Auftritten mit anderen Musikern - La Lupa, Han Bennink - in der Schweiz. Abgesehen davon lässt Gsell Schweizers Bekannten und Freunde zu Wort kommen, rekonstruiert anhand von Voten, Anekdoten und Archivmaterial Schweizers Lebensweg - etwa auch ihr reges Engagement für die Frauenbewegung.
Informationsreich ist Gsells Film, rollt nebst der Biographie Schweizers 40 bewegte Jahre Schweizer (Musik-)Geschichte auf - und vermag gleichwohl nur halb zu überzeugen. Denn so sorgfältig Gsell Schweizers Leben rekonstruiert, so viel Archivmaterial sie verwendet, so witzreich die einzelnen Quotes sind - richtig nahe kommt Gsell ihrer Protagonistin nicht. "Wenn sie könnte, würde Schweizer ihre Konzerte heute via Telefon geben", sagt spasseshalber einer der Interviewten. Er spielt dabei auf Schweizers Schüchternheit an, ihre Art, bei aller Offenheit ihre Gefühle stets verdeckt zu halten; und die Tatsache, dass Schweizer, wenn "sie die Bühne betritt eine ganz andere wird". Hier liegt denn auch die Schwäche von Gsells Film: In (zu) grossem Respekt vor ihrer Protagonistin hat sich Gsell genau an die von dieser gesetzten Limiten gehalten. Zeigt uns Schweizer am Klavier als leidenschaftliche Musikerin - schafft es abgesehen davon aber nicht, auch nur ein einziges Mal hinter deren wohlpräparierte Maske zu sehen. Das nun aber ist unabdingbar, wenn man in einem Porträt eine Person wirklich zu fassen kriegen will.
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Kommentare
Das ist ein ganz meisterhafter Film. Ich bin sonst nicht Jazz-Fan aber ich bin echt froh, dank dieser Dokumentation eine grossartige Schweizer Musikerin kennen gelernt zu haben.
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