Die Axt Belgien, Frankreich, Spanien 2005 – 123min.
Filmkritik
Hart aber herrlich
Thriller meets Sozialdrama: Costa-Gavras' Neuer handelt von einem Mann, der alles tut, um einen Job zu kriegen. Vor allem über Leichen gehen.
Angst hat der Angestellte von heute, so befand unlängst ein Soziologe, weil er weiss, dass es Tausende gibt, die nur darauf warten, seinen Job für weniger Lohn zu verrichten, und das, obgleich sie besser qualifiziert sind. Bruno Davert (José Garcia) hat da mehr Glück, auch wenn er vor drei Jahren die Stelle verlor, von der er glaubte, sie sei seine letzte. Der Ingenieur, Spezialist auf dem Gebiet der Papier-Produktion, vermochte das Heer von Deutschen und anderen Modernisierungs-Verlierern auf eine Handvoll einzugrenzen: Fünf Männer kommen für die eine Stelle in Frage, die Davert als seinen Platz an der Sonne ausmacht. "Arcadia" heisst die Firma sinnigerweise, in der ihm das Paradies auf Erden versprochen scheint. Um Einlass zu finden, ist Davert jedes Mittel recht, auch das fragwürdige, zu dem die Amerikaner gerne greifen, wenn jemand gegen sie ist und nicht für sie. Kill Bill, bevor er deine Stelle kriegt, schwört sich Davert, und schon tötet er. Präventiv.
Wie leicht das dem Anfänger von der Hand geht, da in der Stille nach dem Schuss nur der Arm vom Rückstoss der Pistole schmerzt. Keine Gewissensbisse, nirgends, und Bullen, die zuschnappen, auch kaum. Schwieriger wird es, wenn der Serial Killer erkennt, dass er seine Opfer mag. Aber hey, es ist Krieg in dieser Welt, die Regisseur Costa-Gavras hier entwirft. Der Krieg heisst "Turbo-Kapitalismus", seine Schlachtrufe sind "Umstrukturierung" und "Gewinn-Maximierung", und die Opfer sind auch gut ausgebildete Männer vom Schlage Daverts, die zwar mit Frau (Karin Viard) und Kindern in einem Häuschen wohnen, aber auch dem Tier gleichen, wie Karl Marx es sich denkt. Sie sind das, was sie tun, sie sind ihre Arbeit und ohne sie nichts; und ganz tief in ihnen wohnt die darwinistische Formel des "chacun pour soi", neudeutsch bekannt als "Ich-AG". Eigentlich folgerichtig macht Davert irgendwann ernst mit der martialischen Rhetorik, die ja längst mehr ist als hohle Phrase. Der Konkurrent ist mein Feind, ich muss ihn schlagen - also töten. Vielleicht ist das die ironische Pointe von "Le Couperet": Davert scheint nur gegen die Logik der Neoliberalisten ins Feld zu ziehen, tatsächlich reproduziert er sie. Auch er handelt nach der Maxime: Wer im Weg ist, muss weg.
"Le Couperet" ist eine bitterböse Satire auf drohende Zustände, eine Dystopie des "ausgeprägten Individualismus", wie Costa-Gavras sagt. Seine luzide Bosheit ist es, den Zuschauer zu zwingen, Daverts Handeln gutzuheissen, seinen amoralischen Standpunkt einzunehmen, um den Blick auf einen moralischen zu schärfen. Diesen perspektivischen Kniff ergänzt ein formaler. "Le Couperet" beginnt scheinbar mit dem Ende, als Daverts tränenreicher Rückblick auf seine Blutspur. Aber bald zeigt sich, dass der Anfang nicht das Ende war; am Schluss wird nicht die Reue stehen, sondern ein Happy Ending der anderen Art. Und was die leichten Längen des Films angeht und seine Struktur der Wiederholung: so etwas gehört nun mal zum Alltag eines Arbeitslosen.
Dein Film-Rating
Kommentare
Einer der besten Filme des Jahres. José Garcia endlich mal in einer ernsten Rolle. Schwärzester Humor wird da geboten. Die DVD ist in der Westschweiz übrigens bereits erhältlich.
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