Ryna Rumänien, Schweiz 2005 – 97min.
Filmkritik
Ein hoher Preis für die Freiheit
Sie darf nicht sein, was sie ist: ein Mädchen. Die 16-jährige Ryna muss ihrem Vater zur Hand gehen. Er zwingt sie in eine Knabenrolle. Vergeblich. Das düstere Adoleszenz-Drama der Rumänin Ruxandra Zenide beeindruckt durch seine karge Poesie, Lebensnähe und Zuversicht trotz allem.
Eine heruntergekommen Tankstelle im Niemandsland irgendwo im Donaudelta. Riesige Schiffe gleiten vorbei. Ein Fischerboot wird zur Nussschale. Ryna, das 16-jährige Mädchen, wird von ihrem herrisch-mürrischen Vater (Valentin Popescu) in einen Overall gesteckt und muss ihm an seiner heruntergekommenen Tankstelle und Garage zur Hand gehen. Er schert ihr Haar und verbietet ihr, Schmuck oder gar Frauenkleider zu tragen. Sie soll ihm den Sohn ersetzen, den seine Frau ihm nicht geboren hat. Er ist verbittert, ertränkt seinen Frust, seine Armut und Abhängigkeit im Alkohol.
Die Not (und Gewohnheit) hält die Familie noch notdürftig zusammen. Ein schweigsamer Ruhepunkt ist der Grossvater, der Ryna beisteht, so gut er kann. Das Mädchen, das sich von ihrem Vater knechten lässt, hat sich eine kleine eigene Welt aufgebaut. Sie fotografiert und hat sich ein kleines Refugium auf einem Boot eingerichtet. Der junge Postbote (Theodor Delciu) wirbt um sie und wird sie doch im Stich lassen. Ein junger Franzose (Matthieu Rozé), der komische anthropologische Studien treibt, weckt Gefühle. Ryna schöpft Hoffnung, dem elenden Dasein den Rücken zu kehren und ihrer Mutter nach Bukarest zu folgen, die ihren egoistischen Mann verlassen hat. Doch Ryna muss leiden, zahlt einen hohen Preis, sie wird von ihrem Vater im Stich gelassen, als der Bürgermeister sie begehrt und sie gewaltsam nimmt. Im Grunde genommen hat der Vater sie für eine elende Tankstellen-Lizenz verkauft.
Armselige Existenzen, eine schmuddlige Landschaft, verschmierte Farben: Hier wird der graue Alltag verarmter Menschen in der Donaudelta-Gegend greifbar, wirklich. Selbst die Dorfchilbi verbreitet nur verhaltene Lebensfreude (und Farbe). Die kleinen Sehnsüchte und Freiheiten Rynas werden immer wieder durch Männer sabotiert. "Ryna" ist ein herber leiser Film über Abschied und Aufbruch, über den einsamen Kampf für persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung. Ein schmerzhafter Prozess. Im Gesicht, in der Gestik Rynas, eindrücklich verkörpert durch Dorotheea Petre, spiegeln sich ihre Kämpfe, Niederlagen, Hoffnungen wieder. Filmautorin Ruxandra Zenide, schweizerisch-rumänische Doppelbürgerin, verstand es, das Familiendrama, ihr erster langer Kinofilm, dezent, aber dezidiert zu schildern, ohne in Tristesse zu verfallen. Ein Film auch, der über weite Strecken authentisch wirkt und durch seine stille Intensität stark nachwirkt.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 18 Jahren
Ryna ist ein Film, der betroffen macht und dem ich mir ein interessiertes Publikum wünsche. Wunderbar die junge Darstellerin von Ryna.
Bin ganz hin. Super Film. Da kann ich nur raten: Geht alle hin und schaut euch diesen poetischen Film an. Die Filmemacherin hat im wahrsten Sinne des Wortes ein universelles Thema behandelt. Der Film ist für Jung und Alt gedacht.
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