The Science of Sleep Frankreich, Italien 2005 – 106min.
Filmkritik
Schlafwandler im Liebesrausch
Wie baut man sich Träume? Gleich zu Beginn von Michel Gondrys drittem Spielfilm kocht uns Stéphane einen Traum vor: Da werden «wahllose Gedanken, etwas Nachklang vom Tag, Erinnerungen an Vergangenes» und einiges mehr im Topf verrührt, bis ein Traum brodelt - oder ein Film.
Von Mexiko nach Paris gezogen, erhofft sich Stéphane (Gael Garcia Bernal) einen kreativen Job bei einer Kalenderproduktion. Als sich zeigt, dass er als bessere Kopierkraft angestellt worden ist, flüchtet sich Stéphane in die Welt der Träume. Eine Gleichgesinnte erkennt er in Stéphanie (Charlotte Gainsbourg), die neben ihm einzieht: Ihre Filztiere bevölkern fortan seine Parallelwelt; in ihr Hochbett flüchtet er vor den Monstern des Alltäglichen. Doch kann bei dieser Wahlverwandtschaft im Märchenhaften mehr als Geschwisterliebe blühen? Und sind seine Mitarbeiter wirklich so bieder und einfallslos? Je mehr der eintönige Job Stéphane bedrückt, desto öfter träumt er sich fort - und mit ihm auch seine Kollegen, die in der Pappwelt endlich aufblühen. Bald kann er Traum und Realität nicht mehr unterscheiden: Hat er Stéphanie tatsächlich einen Bekennerbrief unter die Tür geschoben? Feiert er wirklich Erfolge mit einem selber produzierten Kalender?
Wie bereits in seinem letzten Film, dem wunderbaren «Eternal Sunshine of the Spotless Mind», erzählt Michel Gondry vom Träumen und von der Liebe; wie beide voneinander schöpfen und wie schwierig die Trennlinie zwischen Realität und Phantasie zu ziehen ist. In liebevollen Animationen, die ohne Computerhilfe auskommen, entwirft Gondry - ähnlich wie in vielen seiner preisgekrönten Videoclips - ein Universum, in dem der Prinz auf einem Filzpferd reitet und die Autos aus Karton gebaut sind. Charme umgibt auch den Protagonisten selber: Nicht nur als «Schlafforscher», auch als Erfinder malt sich Stéphane Farben in sein Leben. Selbst wenn Stéphanie seine 3-D-Brille nutzlos findet, mit der das Leben - wie ja sonst auch - in drei Dimensionen erscheint, tüftelt er weiter. Eine 1-Sekunden-Zeitmaschine transportiert ihn in die Zukunft oder in die Vergangenheit - um jeweils 1 Sekunde. Das sind immerhin 24 Filmbilder.
Bei allem Einfallsreichtum und trotz der grossen Liebe zum Detail lullt «The Science of Sleep» mit der Zeit ein wenig ein: Der Film ist zu lang. Auch wenn Gael Garcia Bernal und Charlotte Gainsbourg ein schönes Fast-Leinwandpaar abgeben, auch wenn den Basteleien wie den bewaldeten Schiffchen Poesie entspringt, so schleicht sich doch mal ein Gähnen ein. Aber vielleicht hat dies ja nur mit der Materie zu tun: Wie lange kann man einem Träumer zusehen, ohne selbst unter die Decke kriechen zu wollen, die Augen schliessen und entweichen in dieses Reich, das in seiner ganzen Einzigartigkeit und Absurdität uns, noch schlaftrunken, doch auch Realität ist?
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Kommentare
Regisseur Michel Gondry macht es seinen Zuschauern nicht leicht. Er fordert sie heraus, manchmal überfordert er sich auch, denn seine Filme fallen total aus dem Rahmen des Üblichen. Einer seiner ersten Filme ‘Vergiss mein nicht‘ mit Kate Winslet und Jim Carrey war noch mit einiger Anstrengung nachvollziehbar. Beim Schaum der Tage verrät der Titel bereits, wohin die Reise geht. Und hier muss sich der Zuschauer jetzt durch einen chaotischen Raum hindurchquälen, muss für sich selbst Zusammenhänge zu erstellen versuchen, dabei die logischen Entgleisungen übersehen und darf nie den Fehler machen erstaunt den Kopf zu schütteln. Wer das tut, hat schon verloren, denn er nimmt Gondry ernst. Kritiker sagen dann der Regisseur polarisiert. Ich finde er verarscht, ist Opfer des Wirrwarrs in seinem Kopf. Ein wüstes, surreales Chaos umfängt uns und dreht einem wie mit den Armen eines Kraken den Verstand und die Logik ab. Dass wir noch im selben Film sind, erkennen wir nur an den Personen, d.h. an ihrer optischen Erscheinung nicht an ihren Aussagen. Über und unter Wasser driften wir in einen Raum jenseits der Räson. Da helfen auch Slapsticks nichts, wenn etwa eine Sekretärin plötzlich nackt in der Badewanne Schreibmaschine schreibt. Es ist wie bei einer irrsinnigen Schnitzeljagt, bei der der Zuschauer ein Körnchen Wahrheit entdecken kann, und wenn er seine Hand öffnet, rinnt es ihm durch die Finger. Verbal werden wir dann noch zusätzlich mit solchen Injurien attackiert wie ‘Die Distraktion ist die Abstraktion der Konstruktion.‘ oder anders gesagt könnte man auch meinen ‘Die Irritation ist die Initiation der Isolation.‘ Alles klar? Dagegen ist Dada ja ein Quell glasklarer Logik.… Mehr anzeigen
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 18 Jahren
irgendwie fehlt mir bei diesem film was, das mir bei 'eternal sunshine.. ' definitiv nicht gefehlt hat. so was wie ein roter faden oder ein 'sinn' hinter dem ganzen, das dieses werk in seiner gesamtheit abrunden würde.
trotzdem noch lange nicht schlecht und locker über dem durchschnitt der momentan laufenden streifen.… Mehr anzeigen
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