Dunkelblaufastschwarz Spanien 2006 – 105min.

Filmkritik

Auch in Madrid ist das Leben eine Baustelle

Jörg Hüssy
Filmkritik: Jörg Hüssy

Der spanische Regisseur Daniel Sánchez Arévalo gewährt uns in seinem mehrfach ausgezeichneten Debut "Azul oscuro casi negro" Einblicke in die Träume und die Realität eines jungen Madrilenen. Gleichzeitig entwirft er ein Porträt einer Arbeiterklasse, aus der es fast unmöglich ist auszubrechen. Dennoch prägt den Film eine heitere, hoffnungsvolle Grundstimmung, die von schrillen Nebentönen begleitet wird.

Der Protagonist Jorge (Quim Gutiérrez) ist Mitte zwanzig. Er pflegt seinen Vater, der nach einem Hirnschlag gelähmt ist, und arbeitet als Hauswart. Nebenbei beendet er nach sieben Jahren das Studium der Betriebswirtschaft. Ein dunkelblauer, fast schwarzer Anzug, den er jeweils bei seiner Arbeit als Hauswart in einem Schaufenster sieht, symbolisiert seinen Wunsch nach einer angemessenen Stelle in der Finanzwelt. Die Jobsuche gestaltet sich trotz seiner Bemühungen schwierig.

Ebenso ungeklärt und im Umbruch ist sein Privatleben. Er hat mit seiner Nachbarin Natalia eine eher laue Beziehung, bei der vieles unausgesprochen bleibt. Später lernt er Paula (Marta Etura), die Gefängnisliebschaft seines Bruders Antonio (Antonio de la Torre), näher kennen. Auf Wunsch Antonios kommt es zwischen Jorge und Paula regelmässig zu intimen Treffen im Gefängnis. Die wunderlichen Beweggründe, die Antonio veranlassen, sich selbst Hörner aufzusetzen, sollen an dieser Stelle jedoch nicht verraten werden. Bald wird Antonio entlassen und kehrt in die gemeinsame Wohnung zurück. Er versucht seine Beziehung zu Paula zu retten und trachtet nach dem Geld seines Vaters. Dabei erweist er sich als ebenso unermüdlich wie beschränkt. Von ähnlichem geistigem Format ist Israel: Jorges Freund ist arbeitslos und lebt ohne Ambitionen in den Tag hinein. Seine liebste Beschäftigung ist das Ausspionieren der Nachbarschaft. Dabei entdeckt er einen Masseur, der seine Arbeit mit einem Extradienst abrundet. Nachdem er beobachtet, wie sein eigener Vater diesen Dienst in Anspruch nimmt, erpresst er ihn. Gleichzeitig verwirrt ihn dies so sehr, dass er seine eigene sexuelle Identität in Frage stellt. Alle diese Verstrickungen werden im Verlauf des Films weiter gewoben. Trotz solcher Eskapaden bleibt die Handlung, ähnlich der Beziehung Jorges zu Natalia, erstaunlich fade. Zudem fehlt dem Regisseur zuweilen das notwendige Gefühl für Dramaturgie und Tempo.

An der Goya-Verleihung 2007 fand "Azul oscuro casi negro" allerdings grossen Anklang und wurde gleich dreifach ausgezeichnet. Das Drama erhielt die spanischen Oscars für den Besten Nachwuchsregisseur (Daniel Sánchez Arévalo), den Besten Nachwuchsdarsteller (Quim Gutiérrez) und den Besten Nebendarsteller (Antonio de la Torre). Nur Almodóvars "Volver" und "Pan's Labyrinth" waren erfolgreicher. Nun das ist ein bisschen viel der Ehre für einen Film mit netten Ideen und mehr oder minder schrägen Figuren. Leider verpasst es Arévalo, sich vom Madrider Übervater Almodóvar deutlicher zu emanzipieren. Der Regisseur fühlt sich verpflichtet, seinen Film mit unnötigen und allzu gewagten Szenen anzureichern. Eine Straffung diesbezüglich wäre dem Film gut angestanden.

23.10.2023

3

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Kommentare

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Barbarum

vor 12 Jahren

Interessant, aber gegen das Ende hin all zu kryptisch und ad hoc.


tuvock

vor 17 Jahren

Die anspruchsvolle Handlung:

Wieso man nicht Dunkelblau fast schwarz schreibt sondern zusammen schreibt liegt wahrscheinlich daran dass der spanische Film im Original Azuloscurocasinegro heißt. Bescheuerter Titel. Egal. JORGE hat einen Vater, der Vater hatte einen Schlaganfall. JORGE kann das Leben mit ihm nicht mehr aushalten. Er muß ihn waschen, füttern, pflegen, vorlesen, einkaufen gehen, Post holen, Kochen, Putzen, mit dem Vater reden wo er doch lieber, Jung ist er ja, mit anderen Freunden abhängen würde, studieren möchte und was weiß ich machen würde. Leider geht das nicht. 7 Jahre später setzt der Film ein nach dem Schlaganfall vom Vater, JORGE wollte ihn verlassen.

JORGE hat einen Bruder. ANTONIO. Der hat eine Frau im Gefängnis kennen gelernt. PAULA. Er kommt bald raus, sie nicht. Die einzige Lösung, PAULA schwängern. Aber problematisch weil ANTONIO zeugungsunfähig ist, also muß JORGE her. Denn wenn PAULA rauskommt ist ihm leichter, nicht in die Freiheit, sondern im lockeren, geschützten Vollzug der Mutter-Kind-Station. Das ist einfacher als im Knast.

JORGE fühlt sich für alles verantwortlich, er fühlt sich schwach, bis er PAULA trifft, die er schwängern soll. Er fängt endlich an auf andere nicht 100 % ig zu hören, sich nicht immer selber zu vernachlässigen. Sie ist eine starke Frau, eine die er gebraucht hat, er ist schwach, sie stark, ANTONIO bald eifersüchtig, alles geht gut geht schief, geht gut, wer weiß das schon.

Das Problem ist NATALIA ist die Jugendliebe von JORGE, JORGE ist aber in PAULA verliebt, sie in ihn, ANTONIO will das Kind, JORGE hat mit PAULA geschlafen, alles spitzt sich zu, und PAULA ist schwanger, NATALIA fühlt sich hintergangen.

Meinung, Infos und rund um den Film und noch mehr von der Handlung:

Der spanische Oscar ist der Goya, 3 hat der Film gewonnen, Regisseur ist ein Newcomer glaube ich. Jorge hat einen Freund, der ist dauernd geil, gibt dem Vater von Jorge Pornofilme, Jorges Freund ist wie sein Bruder, sehr gute Gespräche führen sie, der Film hat sehr gute Dialoge, sehr gute Szenen, er ist ehrlich, er ist überzeugend, anspruchvoll und nicht einfach, ein brisantes schwieriges Thema.

Die Erzählweise ist ruhig, die Zwischenbilder sind gut gewählt, wie Jorge seinen Vater pflegt ist gut gemacht, alles wirkt sehr authentisch, die Story ist nicht langweilig obwohl kein Actionfilm, sie ist dramatisch und hat einen starken Höhepunkt. Drama und etwas wenig Komödie, gute Ratschläge, eine Moral die nicht aufdringlich ist, so was wie „ Sprich mit Ihr“, der Film mist einfach gut.

Daniel Sánchez Arévalo hat es geschafft, er ist Regisseur und Drehbuchautor, ein unwichtiges Thema das nicht alltäglich ist in eine gute Story zu verpacken wo man als Zuseher hinter einer Scheibe sitzt und sich fühlt als könnte man mit einem Joystick das ganze Geschehen leiten.

Alles sind berühmte Spanische Charakterschauspieler, also wenn man in Spanien leben würde. Gut fand ich als Paula im Spital dem Bruder von Antonio, Jorge, erklärt dass er sie schwängern soll, sie hat gerade nen Eisprung und hätte Antonio dass seinem Bruder gesagt, dann hätte er sicher nicht Ja gesagt, das war eine sehr starke Szene, als sie sich dann auszog und mit ihm Sex wollte, Jorge muß aber überlegen. Dann der Freund wie er ständig mit der Nikon Kamera am Hochhausdach von Jorge dem Typen vis a vis zusieht, der ist Masseur und hat mal auch Männer da, ja Masseur, eher so was wie Callboy. Das war auch irgendwie spannend, und das ist es ja, spannende Szenen aus langweiligen zu machen.

Paula sitzt übrigens im Gefängnis weil Ihr 1. Freund ein angeblicher Immobilienmakler den sie auf der Isla de Margerita, irgendwo so ne Kaff Insel, getroffen hat, ihr versprochen hat zu Ihr nach Spanien nachzukommen, aber was sie nicht wusste, er hat sie als Drogenkurier benutzt.

Arg war der Nebenplot von Israel, dem Freund von Jorge der dauernd den Typen da vis a vis beachtet, wird dabei entdeckt, erpresst mit Fotos dann den Masseur, und will von ihm selber oral befriedigt werden wie er das auch oft sah.

Der Regisseur kann die Story gut erzählen, der Vater von Jorge haßt Homosexuelle, die Nachbarin von Jorge, seine Jugendfreundin Natalie, ja in die kann er sich nicht richtig verlieben, ja der ganze Film ist subtil und teilweise skurril.

Ach ja der Filmtitel. Also Jorge will ja den Hausmeisterjob nicht, er sucht dauernd nen anderen Job, ja und er sieht sich jeden Tag fast im Schaufenster einen teuren Anzug an der die Farben des Filmtitels trägt, ja und er will einen Job der ihm einen Übergang bietet ohne zu leiden. Vom Hausmeisterjob ohne richtige Arbeit zu einem Job wo man gut Geld verdient mit wenig dazulernen, so glaube ich schätze ich das ein, aber trotzdem wirkt Jorge nicht wie ein böser Prolet der nichts arbeiten will, ne alle wirken sehr sympathisch.

Die Geschichte aber das Irreale sieht wie sein Vater bei dem Masseur ist, Sex ist ja im Preis inbegriffen und vor ihm da ist, das ist schon witzig aber nicht sehr spannen dargestellt, dass der Vater Homos haßt und selber sich einen Blasen lässt, Israel vielleicht seine Homosexualität kennen lernt, ja das ist schon ein höheres Stück Filmkunst.

Mir hat der Film gefallen, er hat eine gute Message, gute Kamera, schöne Bilder, beruhigende Musik, nette Dialoge, und eine gute Idee umgesetzt.

80 von 100Mehr anzeigen


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