Der freie Wille Deutschland 2006 – 171min.

Filmkritik

Das Monster im Mann

Filmkritik: Dominique Zahnd

Filme zum Thema Vergewaltigung sind am Boomen. Aktuelle Beispiele: «One Way» mit Til Schweiger und auch «Der freie Wille» mit Jürgen Vogel. Der Streifen verlangt dem Zuschauer 163 Minuten lang so einiges ab.

Alles fängt schon mit einer wuchtigen Einstiegssequenz an: Eine Vergewaltigung am Meer. Die Dauer und die Grausamkeit schockieren. Der Täter ist Theo Stoer (Jürgen Vogel), ein gewalttätiger und ebenso erbärmlich Typ. Nach der Tat verharrt die Kamera auf seinem Gesicht, während im Hintergrund die gefesselte Frau eine Düne hinunterfällt und sich in einem Dornenstrauch verfängt. Und Theo, der Vergewaltiger, läuft los, um einen Verbandskasten zu holen. Dann wird der Straftäter gefasst.

Schnitt. Eine psychiatrische Anstalt. Sterile Atmosphäre, allgegenwärtige Einsamkeit. Zeitsprung: Nach neun Jahren Haft wird Theo in eine WG straffälliger Männer in Mülheim an der Ruhr entlassen. Hier wird geheult, an sich rumgespielt und der Bizeps trainiert - zu viel Testosteron auf einem Haufen. Theo Stoer ist eine verlorene Seele, gebrochen, einsam und innerlich zerrissen. Doch die Reue ist da und der spürbare Wille, das Leben zu meistern, nun alles besser zu machen. Theo findet einen Job in einer Druckerei. Kurze Zeit später lernt er die psychisch ebenfalls angeschlagene 27-jährige Tochter seines Arbeitgebers - Nettie (Sabine Timoteo) - kennen, und die Liebe schleicht sich in das Leben der Beiden.

Sozialkritik soll hier keine geübt werden. Regisseur Matthias Glasner hat sich ein Mammutprojekt zugemutet. Sieben Jahre hat er an mehreren Drehbuchentwürfen getüftelt, recherchiert, mit Therapeuten, Sozialarbeitern und Verurteilten gesprochen. Was sich allerdings tatsächlich in einem Menschen abspielt, der vergewaltigt, bleibt am Ende unklar. Doch eine Analyse wollte auch keine abgeliefert werden - die Figuren und ihr Agieren stehen im Mittelpunkt. «Wir machen hier einen Film über zwei Menschen, nicht über ein Thema», erklärte Glasner dann auch der Presse.

Der Film wurde chronologisch gedreht - was den Darstellern und ihren Leistungen gut tat. Sie spielen intensiv, legen ihre Seele bloss. Das Fehlen einer straffen Dramaturgie macht das Anschauen zusätzlich zur Durchhalteübung. Lässt man das Ganze an sich ran? Welche Erfahrungen hat der Zuschauer selber gemacht? Die Intensität fällt bei Jedem anders aus. Aber eines ist klar: «Der freie Wille» ist harter Stoff.

Für seine herausragende künstlerische Gesamtleistung als Darsteller, Ko-Autor und Ko-Produzent bekam Jürgen Vogel den Silbernen Bären bei der diesjährigen Berlinale. Matthias Glasner erhielt den Regiepreis der Gilde Deutscher Filmkunsttheater.

17.02.2021

4

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Kommentare

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jasenoster

vor 15 Jahren

ein film der sprachlos macht. ein film mit wenig worten, ausdrucksstarken bildern und zwei absolut tolle hauptdarstellerIn!!! bravo!


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