The Boss of it All Dänemark, Island, Schweden 2006 – 99min.

Filmkritik

Ulkige Falschspieler

Filmkritik: Eduard Ulrich

Alter Wein in neuen Schläuchen: Trotz eines experimentellen, halbautomatischen Verfahrens zum Wählen des Bildausschnitts ähnelt Lars von Triers erste Komödie einem absurden Theaterstück, das von Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" inspiriert ist. Es darf trotzdem gelacht werden.

Lars von Trier scheint das Aufstellen und Brechen von Regeln zu lieben. Und selten bedient er ein Genre erwartungsgemäss - auch diesmal nicht ganz, obwohl die Ausgangslage zu passen scheint: Ein Schauspieler wird Hals über Kopf angeheuert, um einen Firmeninhaber darzustellen, der bisher nur im Hintergrund die Fäden zog. Ihm wurden praktischerweise alle unangenehmen Entscheidungen in die Schuhe geschoben, aber nun muss er für einen entscheidenden Vertragsabschluss persönlich erscheinen. Der Schauspieler ist sehr von sich eingenommen und schert sich nicht gross um den Auftrag, sondern möchte aus seinem kleinen Auftritt eine Szene grossen Theaters schmieden. Natürlich wirkt er gegenüber dem Vertragspartner unglaubwürdig, worauf dieser, misstrauisch geworden, die Unterschrift verweigert, weil er nur mit dem wahren Chef des Ganzen abschliessen will. So muss der mittelmässig Schauspieler den Chef sogar für ein paar Tage mimen, obwohl er natürlich "von nichts keine Ahnung hat".

Aber die Handlung ist - abgesehen von den Seitenhieben auf Kapitalismus und Rechtssystem - nicht von Belang, denn von Trier interessiert sich mehr für das komische Potential einzelner Szenen, die er mit einem Verfahren gedreht hat, bei dem ein Programm für jeden Durchlauf eine andere Einstellung wählt. Der Regisseur kann dabei nur die "Ideallinie" vorgeben, das Programm variiert den tatsächlichen Bildausschnitt innerhalb gewisser Grenzen. Zudem kann das Material nicht bearbeitet werden. Das zeigt sich an deutlichen Sprüngen, wenn eine Szene aus mehreren Drehabschnitten besteht, die eigentlich lückenlos aufeinander folgen sollten.

Man kann dieses Aufgeben einer gewissen Kontrolle als Protest gegen eine bis ins Detail geplante Kameraführung verstehen, womit dem Schauspiel mehr Gewicht eingeräumt wird, also weniger Hierarchie, dafür mehr Demokratie. Diese Rechnung geht bis zu einem gewissen Grade auch auf, was an der starken Besetzung liegt, die einige international bekannte, dänische und isländische Schauspieler verzeichnet: Iben Hjejle, Peter Gantzler, Anders Hove. Und auch die übrigen Schauspieler können gut mithalten. Wer metierspezifische Anspielungen wie etwa den von einer Theatertheorie besessenen Hauptdarsteller und ad absurdum getriebene Ideen gern hat, ist mit dieser spielerischen, leichtgewichtigen und überraschenden Arbeit gut bedient.

31.05.2021

3.5

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Kommentare

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inovapoter

vor 17 Jahren

Very special


pradatsch

vor 17 Jahren

Herrlich die stellenweise auch selbstironische Adaption des Stoffes von Brecht (Der gute Mensch von Sezuan). Gambini forever!


gen0

vor 17 Jahren

Guter Film mit chaotischem Schnitt aber guten Schauspieler und durchaus witziger Story aber auf keinesfalls ein 0815 Movie.. ^^


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