CH.FILM

Feltrinelli Deutschland, Italien, Schweiz 2006 – 80min.

Filmkritik

Der Revolutionär als Millionär

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Die Reise in Italiens jüngere Vergangenheit entpuppte sich als gut gemeinter gesellschaftlicher Schwenk durchs Polit- und Verlagswesen bis 2006. Alessandro Rossettos Dokumentation des ungewöhnlichen Verlegers, Giangiacomo Feltrinelli, mit kommunistischer Gesinnung bietet Aussagen von Weggefährten, Verwandten, Autoren - und Zeitbilder.

Grau die Bilder, grau die Theorie: Wurde der Revolutionär Opfer seiner explosiven Taten oder der Gesellschaft? Feltrinellis Tod m Jahr 1972 wurde nie richtig aufgeklärt. Man fand ihn tot bei einem Hochspannungsmasten in der Nähe Mailands. Hat ihn der Sprengstoff am eigenen Leib oder hat ihn anderer politischer Sprengstoff das Leben gekostet?

Doch das sind Fragen, die auch in Alessandro Rossettos Filmcollage nicht geklärt werden und Randbemerkungen bleiben. Der Dokumentarfilm "Feltrinelli" illustriert teilweise ein spannendes, zwielichtiges Leben. Der Sohn einer der reichsten Familien Italiens, 1929 geboren, gründete 1955 den linksorientierten Verlag "Feltrinelli Editore". Eine ausserordentliche Kulturtat. Denn es galt, nicht nur Bücher zu publizieren, sondern sie auch unters Volk zu bringen. Feltrinelli begann um 1957 Buchhandlungen zu eröffnen, zuerst in Pisa, dann in allen grossen Städten Italiens. Und sie sind heute noch wichtiger kultureller Bestandteil unseres Nachbarlandes.

Der Millionär, Kommunist und Verleger hat sich um die Veröffentlichung von Boris Pasternaks Roman "Doktor Schiwago" im Westen verdient gemacht. Sein verlegerischer Durchbruch sozusagen. Und Feltrinelli war es auch, der Che Guevara zum Kultstatus verholf: Der Buchhändler publizierte das Che-Bild des Kubaners Alberto Korda, das dann als Poster oder auf T-Shirts abgedruckt wurde.

Ein schillernder Idealist, ein Abenteurer, ein Geschäftsmann im Untergrund? Wer war dieser Feltrinelli, der lieber Revolutionär als Millionär gewesen wäre? Rossetto, 1963 in Padua geboren, hat eine Chance vertan und liefert nur Stückwerk. Seine Filmcollage bringt von allem etwas und doch zu wenig. Der Filmer verliert den Faden. Feltrinellis Sohn Carlo und das Verlagswesen, Zeitzeugen, Agenten und Autoren wie Giorgio Bocca, Doris Lessing oder Ams Oz rücken mal mehr, mal weniger in den Fokus. Buchläden, Buchmessen, Archive und eingestreute historische Rückblenden - das ermüdet auf Dauer; besonders dann, wenn der Film keine Linie, keine Kraft hat und sich dahinschleppt wie ein Packesel. Nur hartgesottene Politfreaks werden dieser Reise zwischen Nostalgie und Gegenwart etwas abgewinnen können.



17.02.2024

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