Filmkritik
Hardcore Chambermusic
Peter Liechti ("Signers Koffer"; "Namibia Crossings") verdichtet in seinem neuen dokumentarischen Porträt "Hardcore Chambermusic" eine dreissigtägige Konzertperformance des Schweizer Trios Koch-Schütz-Studer zu einem mitreissenden Filmabend. Die Bandbreite der Musikstile, die in die dynamischen Improvisationen einfliessen, wird mit dem Titel, der bereits ein Album des Trios zierte, treffend umschrieben.
Peter Liechti gelingt mit "Hardcore Chambermusic" ein improvisatorisches Stück Film. Er versteht es, das Credo von Martin Schütz, dem Cellisten des Trios, wonach die Kunst der Improvisation im Fliessenlassen der musikalischen Ideen besteht, mit einer adäquaten Bildsprache umzusetzen. Trotz bewusster Brüche bekommt man das Gefühl, einer organisch gewachsenen Toncollage beizuwohnen. Das Material aus mehreren Konzertmitschnitten wurde zerstückelt, selten sind die Improvisationen in ganzer Länge zu hören. Peter Liechti geht es in erster Linie darum, mit filmischen Mitteln das Konzerterlebnis erfahrbar zu machen. Das heisst, er gibt den visuellen atmosphärischen Aspekten gleichermassen Raum. Die Kamera schweift wie des Zuschauers Auge durch den Saal, verharrt in einer Grossaufnahme auf dem konzentrierten Antlitz des Holzbläsers Hans Koch, beobachtet die Mithörer und versinkt mit ihnen in Meditation, bevor die Musik wieder hervorbricht. Sie richtet den Fokus auf die präzise Schlagarbeit von Fredy Studer, auf die Visuals, die auf die Bassdrum und an die Wand projiziert werden, sie ergibt sich der Faszination eines Deckenventilators, der keineswegs still vor sich hin surrt, die Musiker zuerst stört, dann aber Teil der Musik wird. Die ganze Spannweite und Gegensätzlichkeit dieser Musik wird dadurch erlebbar.
Die Zeit zwischen den Sets und nach dem Konzert wird in ungezwungenen Bargesprächen mit und unter den Musikern wiedergegeben. Die kurzen Repliken ergeben mit dem Bildmaterial eine perfekte Hilfe zum Verständnis ihrer kompromisslosen Musik. Die Einsichten zu ihrer Musik und der Kunst der Improvisation sind durchdacht und zeigen den unterschiedlichen Charakter der Musiker auf. Fredy Studer, der Schlagzeuger ist u. a. an Perfektion interessiert, während für Hans Koch, den Bläser mit klassischer Ausbildung, die technische Brillanz kein Thema mehr ist. Vielmehr ist er auf der Suche nach unerwarteten Klängen, die auch in die Nähe von elektronischen Klangwelten gehen können. Das Grundgerüst des Films bilden die projizierten Ziffern, die kapitelgleich auf den jeweiligen Konzerttag verweisen. In dieser Beziehung entsteht eine Chronologie der Ereignisse. Der Film folgt jedoch nicht dem Ablauf eines Konzertes. So sind etwa mittendrin Augenblicke des Einlasses zu sehen.
"Hardcore Chambermusic" ist ein Musik- und Seherlebnis erster Güte. Vieles gemahnt an ein Liveerlebnis. Es ist ein fiktionaler Improvisationsfilm entstanden. In Liechtis Konzept geht die Einzigartigkeit und Unterschiedlichkeit der einzelnen Gigs jedoch unter.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 17 Jahren
bin tief beeindruckt! einer der schönsten und intensivsten filme über improvisierte musik... unbedingt anschauen!
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