Jean-Philippe, l'idole des jeunes Frankreich 2006 – 96min.

Filmkritik

Männer in der Krise

Flavia Giorgetta
Filmkritik: Flavia Giorgetta

Kann ein Star ein Star sein, wenn ihn niemand kennt? Nach einem Kopfschlag erwacht ein Durchschnittsbürger in einer Welt, in der niemand ausser ihm Johnny Hallyday kennt. Wie er gegen diese Ignoranz kämpft, ist zeitweise amüsant, verliert sich aber allzu sehr in selbstgefälligen Eigenbezügen.

Fabrice lebt in einer Trabantenstadt seinen kleinbürgerlichen Albtraum: Handlanger im Büro, zu Hause entbehrlich, ja, der pubertierenden Punk-Tochter gar peinlich, färbt ihm einzig die Musik den Alltag. Johnny Hallyday: Fabrice weiss alles über ihn, jede biografische Anekdote und jeden Songtext. Dank ihnen findet er Zugang in eine andere Welt - ein aufregendes und bedeutungsvolles Universum öffnet sich ihm in den Melodien und Worten Hallydays. Daran möchte er auch seine Umwelt teilhaben lassen: Er trällert, ja: schreit Hallyday in die Nacht, bis ein Nachbar ihn rabiat zum Schweigen bringt.

Als Fabrice im Spital zu Sinnen kommt, ist seine Umgebung nicht mehr zu retten: Niemand kennt Hallyday. Keine CD von ihm steht im Regal, und selbst sein Devotionalien-Zimmer zu Hause hat sich in eine Sammlung ausländischer Bierdosen versammelt. Vom Albtraum scheint er in die Hölle gekommen zu sein. Als er zufällig Hallyday trifft, wird klar: Er ist in einer anderen Schicksalsoption gelandet, in der ein junger Sänger wegen eines Unfalls einen Fernsehauftritt verpasst und nicht zum Star wird, sondern zum Bowlingbahn-Besitzer. Ein anderer nimmt Hallydays Platz als Frankreichs Superstar ein - und ihn gilt es zu verdrängen. Wenn schon nicht die eigene, dann lässt sich Hallydays Midlife-Crisis überwinden, scheint sich Fabrice zu sagen, und er erzeugt nie gekannte Energie. Er erinnert sich an Songs, deren Fragmente Hallyday tatsächlich auf alten Notizzetteln wieder findet, er entdeckt sein Managerkönnen und ungewöhnliche Promotionsmethoden: Das erste Publikum des wiedergeborenen Sängers Hallyday ist bezeichnenderweise ein Altersheim.

Der Elan zweier mittelalterlicher Männer hat Charme, und in den besten (Anfangs-)Momenten erinnert "Jean-Philippe, l'idole des jeunes" nicht nur wegen seiner Luftaufnahmen an "American Beauty". Doch der Film krankt vor allem an Johnny Hallyday. Der Sänger ist - auch wenn er bereits einige Filmproduktionen in seiner Biografie stehen hat - schlicht kein Schauspieler. Da hilft es nicht einmal, dass er sich selbst - freilich in einem Parallelleben - spielt. Ein Hundeblick reicht nicht, den Loser zu mimen. Der Ironie fehlt das Spielerische: Wenn Fabrice, gespielt vom berühmten Schauspieler Fabrice Luchini, in einer Schicksalsvariante als berühmter Schauspieler in seinem Büro ungläubig angestarrt wird, ist das etwas viel des Selbstbezugs. Jean-Philippe (dies ist Johnny Hallydays Taufname) mag eine Perle für Hallyday-Fans sein, für alle anderen ist es eine Männerkrise-Komödie, die ihr tiefgründiges Potenzial nicht auszuloten weiss.

16.02.2024

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