Lenz Deutschland, Schweiz 2006 – 98min.
Filmkritik
Thomas Imbachs Gespür für Schnee
Thomas Imbachs "Lenz" ist eine meisterhafte filmische Meditation über Georg Büchners "Lenz", den Schnee, das Matterhorn, die Liebe und den Wahnsinn eines Künstlers.
Dem Titel nach zu schliessen könnte Thomas Imbachs "Lenz" ein Frühlingsfilm sein - doch just dies ist er nicht. Im Gegenteil: Müsste man die Einmaligkeit von Imbachs zweitem Spielfilm mit einem einzigen Begriff definieren, lautete dieser "Schneefühligkeit": Kaum je in der Geschichte des Schweizerfilms ist Schnee derart sinnlich und sinnig, so vielfältig, kalt, schillernd, gemütlich und erotisch auf Leinwand gepackt worden. Zu Grunde liegt Imbachs "Lenz" das 1839 erschienene, gleichnamige Erzählfragment von Georg Büchner; eine kleine Studie über die Verzweiflung eines jungen Schriftstellers an sich und der Schreibkunst.
Imbachs Film spiegelt Büchners Vorgabe mehrfach: Nicht nur heisst Imbachs Protagonist wie Büchners Held, er ist als Filmemacher mit der Verfilmung von Büchners Novelle beschäftigt und dabei auch das Alter Ego Imbachs: Es gibt keine Kunst, die zur Selbst-Reflexion schöner einlädt, als die der laufenden Bilder. Und was Imbach, man kennt von ihm etwa "Ghetto", "Well Done" und "Happiness Is a Warm Gun" mit "Lenz" vorstellt, ist diesbezüglich ein kleines Meisterwerk.
Imbachs Lenz nun also - fiebrig dargestellt von Milan Peschel - fährt die Hintergründe von Büchners Novelle erforschend von Berlin Richtung Vogesen. Unterwegs erfährt er, dass sein neunjähriger Sohn Noah im Schweizer Wintersportort Zermatt in den Ferien weilt und Lenz beschliesst, diesen zu besuchen. Koffern und Kamerataschen im Schlepp kämpft sich der Filmemacher durch Schnee und Nacht und gelangt schliesslich erschöpft zum Chalet, in dem Noah mit seinem Kindermädchen weilt. Lenz macht es sich gemütlich. Vergnügt sich tagsüber mit seinem Sohn, sinniert nächtens seinem Filmprojekt nach. Als sich auch noch Noahs Mutter Natalie für ein Weekend zu ihnen gesellt, durchlebt das Trio eine kurze Zeit trauter Glückseligkeit. Doch dann reisen Natalie und Noah ab und Lenz verliert sich, geplagt von Sehnsucht, in wirren Gedanken und Schnee.
Thomas Imbachs bisher mit Abstand emotionalster Film ist "Lenz". Der Film überzeugt in den Begegnungen von Vater und Sohn, Geliebtem und Geliebter mit launiger Leichtfüssigkeit, lässt aber auch den allein gelassenen und verzweifelten Lenz nicht minder glaubwürdig in den Wahn und Wahnsinn eines Künstlers rasseln. Und wie dabei das Matterhorn als roter Faden wieder und wieder ins Bild rutscht, wird das verkitschte Ursymbol Schweizerischen Massentourismus' zurückgebogen auf das, was es ist: Ein trutziger Gipfel in den Alpen, vor dessen Silhouette jedes menschliche Drama nicht seine Tragik verliert, gleichwohl aber tröstlich klein wirkt.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 18 Jahren
ein sehr guter film. super hauptdarstellerin
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