Filmkritik
Das Unglück muss zurückgeschlagen werden
Vor zehn Jahren wurde Alexander Beyer in der verklärenden Ostalgie-Komödie «Sonnenallee» einem großen Publikum bekannt. In seinem neuen Film «Maria am Wasser» spielt die DDR wieder eine Rolle, allerdings nur als bereits vergangener Ort.
Im Sommer 1983 fährt ein Panzer mit vier Kindern aus dem Waisenhaus «Frohe Zukunft» durch die Elbe, doch das tonnenschwere Gefährt sinkt und der Ausflug endet für die Kinder tödlich. Nach 22 Jahren kommt der Orgelbauer Marcus in das kleine Dorf und behauptet, eines der ertrunkenen Kinder zu sein. Seine Eltern haben sich mittlerweile der Trauer anheim gegeben und erkennen ihn nicht wieder. Niemand glaubt ihm, dass er sich aus dem sinkenden Panzer befreien konnte, auch wenn seine Leiche nie gefunden wurde. Wie ein Fremdkörper bewegt er sich in seiner ehemaligen Heimat und einzig die geheimnisvolle Russin Alena scheint ihn zu verstehen.
Der Schauspieler und preisgekrönte Drehbuchautor Thomas Wendrich (u.a. das Buch für das wundersame Provinz-Krimi-Märchen «Freischwimmer») verwirklicht mit «Maria am Wasser» nun seinen ersten Spielfilm als Regisseur und beweist auch auf diesem Gebiet erstaunlich viel Fingerfertigkeit. Wendrich, der sich natürlich auch hier für das Drehbuch verantwortlich zeigt, inszeniert sein Debüt als verträumtes Stück Realität. In klaren, aber doch immer leicht der Wirklichkeit entfremdet wirkenden Bildern, erzählt er die Geschichte eines jungen Mannes auf der Suche nach seiner Vergangenheit. Doch vorerst muss er sich dem Diesseits stellen, das sich ihm abweisender offenbart, als er es erwartet hatte.
Die Frage nach den eigenen Wurzeln, der Versuch, wieder einen Zugang zu sich und seiner Umwelt zu finden, das sind die Themen, die der Film auf allen Ebenen geschickt miteinander verknüpft. Und sie bilden das metaphorische Fundament von «Maria am Wasser», der an einem Einzelschicksal, ohne symbolische Verklärung, den Zusammenbruch der DDR beschreibt. Dabei geht es weder um einen wehmütigen Blick auf das sozialistische System, noch um eine knallharte Abrechnung mit dem Unrechts-Regime. Vielmehr versucht Wendrich sich mit dem problematischen Fakt auseinander zu setzen, dass es die DDR als konkreten Ort nicht mehr gibt. Einzig geblieben sind Menschen, Orte und Erinnerungen. Der sinkende Panzer bietet dabei den Ausgangspunkt als Zeichen des Untergangs einer Epoche.
Insgesamt gelingt es dem Film, ein so abstraktes Thema adäquat umzusetzen, auch wenn einige der vielen Verweise auf den ersten Blick schwer erkenntlich sind. Dass alles ohne großen Pathos geschieht, liegt nicht nur an der entschleunigten Erzählweise, sondern ist auch dem gezielt eingesetzten und mitunter zynischen Humor zu verdanken. Und natürlich dem grandiosen Spiel von Alexander Beyer, der die inneren Verwirrungen facettenreich und authentisch vermittelt. Ein sehr persönlicher und dennoch allgemeingültiger Blick auf einen wenig beachteten Aspekt der deutschen Geschichte.
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