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Slumming Österreich, Deutschland, Schweiz 2006 – 96min.

Filmkritik

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Pascal Jurt
Filmkritik: Pascal Jurt

Im neuen Film des Österreichers Michael Glawogger ziehen zwei Freunde durch Wiener Lokale, um die armen Menschen beim Leben zu beobachten. Sie nennen es "Slumming".

Franz Kallmann versteht die Welt nicht mehr. Nach einer komatösen Nacht wacht er an einem fremden Bahnhof auf. Es ist nicht mehr sein vertrautes Österreich, die Leute sprechen eine andere Sprache. Langsam schält sich heraus, dass er im tschechischen Städtchen Znojmo gelandet ist. Zuvor sieht man Kallmann grantelnd durch das winterliche Wien ziehen. Brilliant performt Paul Manker den irren Stadtstreicher mit nicht endendem Sauf-Monolog. Der obdachlose Trinker ist kein edler Armer, sondern ein unberechenbarer und unterhaltsamer Nervsack. Auf die Frage einer Mitbürgerin: "warum belästigen sich mich", kontert er: "Weil ich Sie nicht mag!".

Auf der anderen Seite gibt es die Gegenspieler Kallmanns: Sebastian (August Diehl) und Alex (Michael Ostrowoski), zwei gelangweilte Neobürger. Der Privatier Sebastian hat noch nie gearbeitet, schweift gerne durch Wiens "Beisl", um junge Frauen zu treffen, die er über das Internet kennengelernt hat. Vor lauter Langeweile hat er sich die Manipulation von Menschen zum Hobby gemacht. Als Alex und Sebastian auf dem Nachhauseweg Kallmann regungslos am Wiener Bahnhof liegen sehen, entschliessen sie sich ihn im Kofferraum über die Grenze nach Tschechien zu deportieren.

Diesen Dummejungenstreich nennen die beiden Schnösel "Slumming". Sozial-voyeuristisch geniessen sie es, in das proletarische Milieu Ottakrings einzutauchen. Für ihre Erkundungstouren in das Elend der Welt besuchen sie Nachtclubs, Migranten-Kneipen und Spielhöhlen. Glawogger, der mit "Megacities" einen Dokumentarfilm über Verslumung und Urbanität und mit "Workingman's Death" die Transformationen der Arbeitswelt im Blick hatte, thematisiert hier leider nicht die sozialräumliche Restrukturierung des Gürtels, der in den letzten Jahren sehr stark gentrifiziert wurde. "Slumming", der auch im sozialrealistischen Doku-Stil daherkommt und vor allem die beiden Hauptprotagonisten erinnern zu sehr an reichlich überstrapazierte Figuren des poetischen Clochards (Kallmann verzapft bedeutungschwangeren Existentialistenquatsch, der von der Differenz zwischen Angst und Furcht handelt) und des gelangweilten konservativen Revolutionärs.

Der Film, der die inneren Zusammenhänge des komplexen Ganzen der sich gegenwärtig abzeichnenden neuen Phase der kapitalistischen und neobürgerlichen Gesellschaftsformation zeigt, muss noch gedreht werden. Ist Glawogger nicht der Bildungsbürger, der sich am Leben der unteren Klasse weidet? Naja, Selbstreflexion ist ein Schritt in die richtige Richtung.

17.02.2024

3

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Kommentare

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cinemansilvia

vor 16 Jahren

Der schlechteste Film, den ich dieses Jahr gesehen habe. Es hatte nur etwa zehn Besucher im Kino und als wir nach 45 Minunten gingen, waren wir nicht die ersten, die den Saal vorzeitig verliessen. Ok, der Alki spielt nicht schlecht, aber das holt den Film auch nicht aus der Misere.


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