Sonhos de Peixe Brasilien, Russische Föderation, USA 2006 – 112min.

Filmkritik

Liebe geht nicht durch den Fernseher

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Jusce träumt von der Liebe. Ana von der grossen weiten Welt. Er sehnt sich nach Zweisamkeit - sie nach einem Leben, das ihr die Telenovelas vorgaukeln. Kirill Mikhanovsky erzählt eine einfache Liebesgeschichte mit viel Tiefsinn.

Mit einfachsten Hilfsmitteln - nämlich Luftschläuchen, die wie Gartenschläuche aussehen - tauchen sie in 30 Meter Meerestiefe. Die jungen Männer sind auf Hummer-Pirsch. Ein harter und gefährlicher Job: Wer beispielsweise zu schnell aufsteigt, stirbt. Fischer Jusce (José Maria Alves) geht scheinbar unbekümmert seiner Passion nach. Das Vergnügen des jungen Burschen besteht einzig darin, am Abend bei der der Dorfschönheit Ana (Rubia Rafaelle) zu sein, die er anhimmelt. Man versammelt sich vor dem TV-Gerät, um eine Telenovela zu schauen.

Ana ist ein Riesenfan und hat noch keine Folge verpasst. Das Fernsehen gaukelt ihr eine Welt vor, in die sie auch eintreten möchte. Als Rogerio (Chico Diaz) aus der Grossstadt auftaucht, ist ihr das gerade recht. Er protzt mit seinem Buggie - und fordert Jusce heraus. Der will sich auf das Wichtigtun seines ehemaligen Fischerkollegen nicht einlassen, nimmt dann aber doch auf Bitten Anas an einem wilden Strandtrip mit der PS-Schleuder teil.

Der Buggie gibt seinen Geist auf, und Jusce trägt Ana heim, die erstmals ihre geliebte Telenovela verpasst. Das soll nicht mehr vorkommen, sagt sich Jusce, und setzt alle Hebel in Bewegung, um seiner Ana mit einem supercoolen Mega-Fernseher zu imponieren. Ihre Mutter jedoch verteufelt die Mega-Mattscheibe. Und so muss dieses Ungetüm zurück an den Ursprungsort verschifft werden.

Mit viel Herz und Einfühlvermögen inszenierte Kirill Mikhanovsky seine Arme-Leute-Liebesgeschichte aus Brasilien. Bilder (Kamera: Andrij Parekh) und Menschen wirken ausserordentlich authentisch und wahrhaft. Sie zeigen den kargen Alltag der Fischer, ihre Würde, ihre Gefangenheit, aber auch die Verlockungen der "anderen Welt" - jener des Konsums, des Scheins. So werden die Träume des Fischers und seiner "Braut" zu Sinnbildern der (falschen) Hoffnungen, der Wahrhaftigkeit und einer Liebe, die nicht auf Besitz, Techno-Besessenheit oder schönem Schein basieren kann. Die archaische Geschichte, die an den italienischen Neorealismus erinnert, gibt angesichts der Technik-Geilheit und -Gläubigkeit unserer Gesellschaft zu denken.

07.08.2008

4

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