Vitus Schweiz 2006 – 118min.
Filmkritik
Ikarus am Flügel
Kleine Sensation: Ein schweizer Spielfilm um ein intellektuelles und musikalisches Wunderkind bringt ein Ebensolches auf die Leinwand, ohne zum Dokumentarfilm zu mutieren. Fredi M. Murer erzählt ein modernes, beinah wahres Märchen.
Wunderkind Vitus hat es nicht leicht, obwohl seine Eltern liebevoll und klug sind, denn seine Begabung ist eine Bürde: In der Schule langweilt er sich oder nervt die Lehrkräfte und KlassenkameradInnen als Besserwisser. Am Klavier soll er die Gäste seiner Eltern oder eine legendäre Virtuosin beeindrucken, was nicht wie geplant klappt. Die Mutter setzt sich zwar scheinbar selbstlos für die Karriere ihres Wundersohns ein, überspannt allerdings den Bogen. Der Vater (Urs Jucker) ist dagegen von seiner eigenen Karriere als brillanter Erfinder in einer Hörgerätefirma absorbiert. So bleibt nur der Grossvater (Bruno Ganz) als Vertrauter für Vitus übrig. Da hat Vitus einen genialen Einfall.
Der amüsante Familienfilm des grossen Fredi M. Murer ist in verschiedener Hinsicht ein Glücksfall. Murer hat in allen seinen Filmen wesentliche Fragen behandelt, die von einer aussergewöhnlichen, oft verrückten Annahme ausgehen. Dabei entstehen die Kernaussagen durch das Übertreiben und, indem normale Menschen in Alltagssituationen sich unter diesen Bedingungen durchschlagen müssen. Diesem Prinzip ist Murer treu geblieben. Das Drehbuch besticht durch gute, realistische Ideen und witzige Sprüche, die auf die Handschrift des originellen Schweizer Jung-Regisseurs Peter Luisi schliessen lassen. Dass die Kamera beim phänomenalen Pio Corradi in besten Händen ist, zeigt sich nicht nur an den typischen (Murer-)Schwenks, sondern auch an überraschenden Einstellungen, die das bekannte Zürich nicht gleich verraten.
Lokalkolorit und die unverhohlene Werbung für den Pilatuswundervogel kann man als sympathisches Anfeuern verstehen, sich auf die eigenen Leistungen zu besinnen und nicht immer aufs Ausland zu schielen. Dies gilt besonders für den in der Nähe Zürichs lebenden, rumänischen Wunderjungen Teo Gheorghiu, der im Alter von 12 Jahren kürzlich sein Debut-Konzert in der Zürcher Tonhalle gab und der den jugendlichen Vitus spielt - ein musikalisches und sprachliches Multitalent. Man darf Murer hoch anrechnen, dass er nicht den naheliegenden Fehler beging, diese Goldgrube billig auszuschlachten, sondern nur dort auf die stupenden Fähigkeiten seines Hauptdarstellers zurückgreift, wo es sinnvoll ist. Solche Momente sitzen dann aber. Bravo! Und im Gegensatz zu "Good Will Hunting" stimmen die Details bei den Wunderleistungen. Nicht verpassen!
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Kommentare
Gut gemachter Schweizerfilm mit einem wahnsinns begabten Jungen und wunderbarer Musik.
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