Fashion Victims - Reine Geschmacksache Deutschland 2007 – 96min.

Filmkritik

Mode und Verzweiflung

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Mit dem Geschmack ist das ja immer so eine Sache: Angeblich lässt sich nicht darüber streiten, dennoch ist man immer davon überzeugt, das eigene ästhetische Empfinden stehe über dem der Anderen.

Und wenn man gar im Modebusiness arbeitet, ist man bereit, ihn wie sein Leben zu verteidigen und sich gegenüber jeglichen und möglicherweise berechtigten Einwänden zu verschließen. Dann ist der eigene Geschmack eben der einzig richtige und davon muss man auch den Rest der Welt überzeugen.

Wolfi (Edgar Selge) ist Handelsvertreter für Damenoberbekleidung und fährt mit leidenschaftlicher Begeisterung durch Deutschlands Provinz, um die neuesten Stücke der Firma Goldberger an die Boutiquen und somit an auch an die Dame zu bringen.

Sein Sohn Karsten (Florian Bartholomäi) hat gerade sein Abitur gemacht und ist mit Freunden auf dem Weg zum Flughafen, um einige Wochen in Spanien Urlaub zu machen. Doch Wolfi macht dem Sprössling einen Strich durch die Urlaubs-Rechnung: Da ihm vor kurzem der Führerschein abgenommen wurde, verdonnert er Karsten dazu, die nächsten vier Wochen sein eigener Chauffeur zu sein. Dass sich bei dem die Begeisterung in Grenzen hält, ist verständlich. Aber auch die Modehäuser begeistern sich nicht mehr für die von Wolfi vertretene Goldberger Classic Linie, vielmehr interessieren sie sich für die neue flippige Billig-Preis Kollektion der Firma, die sein Kollege Steven geschickt in hoher Stückzahl verkauft. Und Steven bindet nicht nur Wolfis alte Stammkunden an sich, auch bei Karsten lässt er seinen Charme spielen, der wiederum auch ein Auge auf Papas Widersacher geworfen hat.

Regisseur Ingo Jasper hat mit bei seiner Ensemble-Auswahl ein glückliches Händchen bewiesen und nicht zu Unrecht bekam Florian Bartholomäi den Max-Ophüls-Preis als Bester Nachwuchsdarsteller. Auch auf technischer Ebene folgt "Reine Geschmacksache" den klassisch hochwertigen Standards der Kinounterhaltung.

Allerdings reicht die gute Verarbeitung nicht aus, über Mängel des Stoffes hinwegzutäuschen. Denn das etwas schwache Drehbuch hat allenfalls die Raffinesse einer Folge von "Adelheid und ihre Mörder": Zu sehr plätschert die Geschichte vorhersehbar dahin und auf jeden potentiellen Lacher wird zugunsten eines leisen Schmunzelns verzichtet. Einzig die unaufgeregte Selbstverständlichkeit, mit der die Homosexualität des Sohnes thematisiert wird, ist eine erfreuliche Besonderheit des Films. Aber das reicht leider nicht aus, um aus einer Stangenware ein besonderes Designerstück zu machen. Seltsamerweise hat der Film den Max-Ophüls-Publikumspreis bekommen. Wahrscheinlich ist das wieder reine Geschmacksache.

17.02.2024

3

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film gut.


cineast2001

vor 17 Jahren

Endlich mal eine Deutsche Komödie die mit bissig- ätzenden Witz das "wahre" Leben im Mikrokosmos des deutschen Alptraum -Mittelstandes karikiert!

Nichts ist so ätzend wie das wahre Leben. Diese Komödie schafft es uns in die Abgründe des piefig- daherkommenden deutschen Mittelstands zu ziehen und uns die Absurditäten des "Mikrokosmos Familie" unangenehm zu zeigen.

Da uns in diesem Film der Spiegel vorgehalten wird, sind uns die Charaktere von Anfang an unangenehm vertraut und teilweise unsympathisch!
Mit "loriotschen" Augenzwinkern und schwarzen Humor erleben und durchleiden unsere Helden von Anfang an die "(Un-) Tiefen" des Alltags.

Auch wenn die Filmkritik recht hat, das das Drehbuch in einigen zu simpel und dünn gestrickt ist, verleihen die Schauspieler, angeführt von Edgar Selge, ihren Figuren Kontur und bringen mit ihrer darstellerischen Leistung dem Film den nötigen sarkastischen und anarchistischen Witz!


Etwaige Rechtschreib- und Grammatikfehler in diesem Text sind gewollt und wurden hier mit Absicht versteckt. Wer sie findet, darf sie behalten oder auf eBay versteigern. Best viewed with open eyes and a human brain ver. 2. 0 or above.

P. S.: Eigentlich wollte ich nur 3 M&M's vergeben, aber da diese Komödie aus dem "Abfalleimer" der diesjährigen deutschen Komödien("Bis zum Ellenbogen", Free Rainer-Dein Fernseher lügt") herausragt, vergebe ich 4 M&M'sMehr anzeigen


dunglee

vor 17 Jahren

Mir haben die Schilderungen der verschiedenen Problemkreise - die berufliche Konkurenz des Älteren mit dem "jungen Wilden", die Eheprobleme und natürlich das coming-out des Sohnes sehr gut gefallen - die Handlung wird unaufgeregt aber sehr humorvoll erzählt.
Jede einhzelne Rolle ist ausgezeichnet und sehr glaubhaft besetzt.
Wird es diesen Film auf DVD geben?
Ich hoffe doch!Mehr anzeigen


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