Meer is nich Deutschland 2007 – 102min.
Filmkritik
Weiblich, mutig, jung sucht
Lena ist 17 und will unbedingt ihren eigenen Weg gehen - gegen den langweiligen Berufsberater und die wohlmeinenden Ratschläge ihres selbst vom Leben überforderten Vaters rebelliert sie, sogar das Bestehen der Abschlussprüfung setzt sie leichtfertig aufs Spiel.
Wo genau dieser eigene Weg zu finden ist, weiß sie allerdings nicht. Bis sie bei einem Konzert die Drummerin der Band beobachtet und auf einmal genau weiß, dass sie Schlagzeug spielen will. Lenas Vater, der selbst als ehemaliger Brückenbauer mit seinem Arbeitslosenalltag alles andere als konstruktiv umgeht, besorgt seiner Tochter über ihren Kopf hinweg eine Lehrstelle.
Die Risse im eigentlich liebevollen Familiengefüge werden immer sichtbarer, bis die Kluften unüberbrückbar erscheinen und Lena schließlich auszieht und alles auf eine Karte setzt - unterstützt wird sie vom großen Bruder ihrer Freundin, wo sie unterschlüpfen kann und vom Musikhochschullehrer Sascha, in dem sie einen wertvollen Mentor findet. Doch dann droht Lena ein weiteres Mal alles zu verlieren.
Eine angenehm unprätentiöse Coming-of-Age-Geschichte ist dieses Langfilmdebüt von Hagen Keller, das ein ganz normales Mädchen zeigt in ihrem ganz normalen Umfeld - ohne aufgebauschte Drogen- oder Alkoholprobleme, ohne Missbrauchsbackstory oder Verwahrlosungshintergrund. In Bildgestaltung und Erzählton wird ein optimistischer, und gleichzeitig die Teenager-Thematik ernstnehmender Tonfall durchgängig getroffen und die gängigen Ostklischees der ewigen Plattenbauten vollständig vermieden - das ist selten.
In der Dramaturgie allerdings gibt es deutliche Mängel, trotz der unterstützenden Beratung des DEFA-Profis Tamara Trampe: Zwar erzählt der Film in kleinen, sensibel gestalteten Bögen, insgesamt aber gibt es deutliche Längen und die Krisen stürmen geballt am Ende des Films auf Protagonistin und Zuschauer ein.
Dadurch tritt der seltsame Effekt ein, dass die Geschichte einerseits in ihrem Erzählfluss nicht funktioniert und doch nur selten wirklich langweilt - was auch an den stimmigen Dialogen liegt, die allerdings besonders im ersten Drittel zu ausladend geraten sind. Das Ensemble, allen voran Hauptdarstellerin Elinor Lüde, spielt eindrucksvoll und mit Sinn für Unterströmungen. Besonders die Spannungen und Bindungen in Lenas Kleinfamilie sind berührend anzusehen, aber auch alte Ost-Größen wie Günter Naumann verleihen «Meer is nich» eine Glaubwürdigkeit, die bei einem Debüt selten ist.
Kein großes Kino also - aber ein schöner, kleiner Film.
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