Der Mongole Deutschland, Kazakhstan, Mongolei, Russische Föderation 2007 – 125min.

Filmkritik

Barbar oder kühner Humanist?

Filmkritik: Eduard Ulrich

Russland besitzt knapp 4000 km gemeinsame Grenze mit der Mongolei und wurde ca. 200 Jahre lang von Mongolen beherrscht; Dschingis Khan gilt generell im Westen als Schreckensherrscher par excellence. Da reibt man sich erstaunt die Augen, wenn ausgerechnet der russische Regisseur Sergei Bodrov ein Gegenbild von Kindheit und Aufstieg dieser Legende an Grausamkeit vermittelt.

Ungern erinnert man sich in Russland dieser 200 Jahre mongolischer Herrschaft. Aus den mongolischen Machthabern formte das kollektive Gedächtnis barbarische Unterdrücker, ein einseitiges Bild, welches dem russischen Regisseur Sergei Bodrov spanisch vorkam. Sein akribisch recherchiertes Heldenepos bricht mit den auch im Westen verbreiteten Klischees der nur mittels roher Grausamkeit siegreichen Horden. Trotzdem muss man nicht auf wesentliche Ingredienzien einer klassischen Heldensage verzichten: gefährliche Gegenspieler, eine lange Periode fast aussichtslosen Überlebenskampfes, gigantische Schlachtszenen und eine komplizierte, alle Fährnisse überdauernde Liebesgeschichte.

Eine 10jährige biografische Lücke füllt Bodrov mit einer plausiblen Hypothese, die er, wie auch die historischen Fakten, direkt in Bilder und Handlung umsetzt. Theoretische oder dokumentarische Erklärungen sind seine Sache nicht, und das ist gut so, denn seine beiden Kameramänner leisten Spektakuläres, und mit nur wenig Digitaltechnik werden die saftigen Blutspritzer veredelt, ohne die ein richtiger Kampf heutzutage eben nicht echt aussieht. Mehr als 1000 Statisten und viele, viele Pferde bevölkern die weiten Landschaften, die in irisierenden Farben und abwechslungsreicher Topologie eine ungewöhnliche Pracht entfalten.

Besonderes Gewicht liegt auf dem Hauptdarsteller, dem japanischen Autorenfilmstar Tadanobu Asano, sowie den beiden anderen tragenden Figuren, dem Gegenspieler und der Geliebten. Während der fänomenale chinesische Darsteller Sun Hong mit Ohrschmuck, porentief gepflegter Haut und selbstreflexiver Klugheit einen Hieb Homoerotik und Stil neben Macht und Gewalt ins Spiel bringt, vermittelt die mongolische Laiendarstellerin (nicht nur sexuelle) Selbständigkeit, Wagemut und Gleichwertigkeit, an denen auch die Emanzipation ihre Freude haben dürfte.

Die Lektion, die uns Bodrov unter anderem erteilt, lautet wohl, dass nur der zum Herrscher taugt, der auch das untere Ende der Macht, die Ohnmacht bestens kennt - eine wahrlich zeitgemässe Erkenntnis. Bodrov sieht in Dschingis Khan einen Herrscher, der mit seinen Toleranzedikten gegenüber Andersgläubigen und seiner menschlichen Vernunft sogar unserer Zeit voraus war.

25.05.2021

5

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Kommentare

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popkoernchen

vor 16 Jahren

Wunderschöne Story... ruhig, menschlich mal rauh.

Genialer Sound - sehen gehen!


shurtugal

vor 16 Jahren

Mongole hätte wahrlich ein Meisterwerk werden können. Die Machart ist über jeden Zweifel erhaben (wenn auch eher konventionell), die Schauspieler solide bis sehr gut, die Location ein Traum. Genügend Material für eine spannende Geschichte wäre durchaus auch vorhanden, doch wurde dieses Potenzial leider verschenkt. Es fällt offensichtlich auf, dass Bodrov diesen Film massiv kürzen musste um die Schmerzgrenze von zwei Stunden Laufzeit nicht überzustrapazieren. Das Resultat ist nun ein unfertiges Machwerk das aus verschiedenen Versatzstücken einer Story besteht, die für sich zwar funktionnieren, doch im Gesamtbild wenig harmonisieren. Die Zeitsprünge sind zu massiv die Szenenwechsel zu aprupt und teilweise auch frei jeglicher Logik.
Grösstes Manko stellt jedoch die Tatsache dar, dass Temugdin alias Dschingis Khan Thema dieses Filmes ist. Am Schluss ist nicht nachvollziehbar weshalb dieser Mann die halbe Welt erobert haben sollte. Dementsprechend hätte dieser Film auch über irgendeinen Mongolen dieser Zeit sein können. Man hat einfach nie das Gefühl, Dschingis Khan vor sich zu sehen.

Was bleibt sind wundervolle Landschaftsaufnahmen und ein paar Schlachtszenen, die man aber auch schon besser gesehen hat. Der Rest ist Beilage mit fadem Nachgeschmack. Miese Dialoge zu einer austauschbaren Geschichte, schade.Mehr anzeigen


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