Persepolis Frankreich, USA 2007 – 90min.

Filmkritik

Teheran Wien retour

Jörg Hüssy
Filmkritik: Jörg Hüssy

Im Zeichentrickfilm "Persepolis" erzählt die Iranerin Marjane Satrapi eindrucksvoll und selbstironisch von ihrer Kindheit in Teheran, den Jugendjahren in Wien und ihrer Rückkehr in die Heimat. Der Film beruht auf der gleichnamigen Comic-Autobiographie. Der Film verdichtet die mehr als dreihundert Comic-Seiten der Vorlage auf fünfundneunzig Kinominuten und verleiht ihr buchstäblich Tiefe.

Satrapi verbindet gekonnt ihr Einzelschicksal mit den historischen Ereignissen der 1970er- und 80er-Jahre im Iran. Die islamische Revolution mit dem Sturz des Schahs, der Krieg mit dem Irak, all diese tief greifenden Veränderungen werden am Alltagsleben gespiegelt. Satrapi zeichnet eine Gesellschaft, die sich mit den Zwängen der neuen Machthaber zu arrangieren sucht und im Privaten bemüht ist, ein normales, manchmal auch sehr ausgelassenes Leben zu führen.

Marjane wächst in einem westlich orientierten Bürgerhaus auf. Ihre Eltern sind weltoffen und gut situiert. Eine unbekümmerte Jugend ist vorgezeichnet. Eine wichtige Bezugsperson ist die Grossmutter mit ihrem eigenwilligen Charakter und ihren Ansichten von persönlicher Integrität, die sie der kleinen Marjane mit auf den Weg gibt, der sich dann als steinig erweist. Marjane ist bereits als Kleinkind rebellisch und unangepasst. Ihr Charakter bringt sie immer wieder in Konflikt mit Autoritätspersonen und vor allem den islamischen Sittenwächtern. Sie entdeckt auf dem Schwarzmarkt die westliche Pop- und Rockmusik von ABBA bis Iron Maiden. Als der Iran vom Irak angegriffen wird, schicken die Eltern die erst 14-jährige Marjane nach Wien ins Exil. Dort wird sie auf einem französischen Gymnasium allmählich zur Frau. Das exotische Wien bildet die Kulisse einer schwierigen Adoleszenz zwischen den Kulturen und nahe am Abgrund. Es ist eine typisch westliche Jugend voller Versuchungen, die aber durch ihren fremden Blickwinkel fasziniert und neu erlebt werden kann.

Die zweidimensionalen holzschnittartigen Schwarzweiss-Zeichnungen des Comics wurden für den Film verfeinert. Die vor allem in den Gesichtspartien ausdrucksstärkeren Figuren agieren vor einem nuanciert gezeichneten Hintergrund. In "Persepolis" wurde weitgehend auf den Aktionismus der Zeichentrickfilme amerikanischer Provenienz verzichtet. Die ruhigen Tableaus wechseln dennoch ab und an mit dynamischen Kamerafahrten und hektischen Massenszenen ab. Einzelnen Gesten und der Mimik der Figuren wurde viel Platz eingeräumt. Diese filmischen Qualitäten von "Persepolis" sind auch Co-Autor Vincent Paronnaud zu verdanken. Die Tonspur ist geprägt von den bekannten französischen Schauspielerinnen Catherine Deneuve, Chiara Mastroianni und Danielle Darrieux, die ihre Stimmen den weiblichen Hauptfiguren geliehen haben und damit einige Jahrzehnte der französischen Filmgeschichte mitklingen lassen.

Marjane Satrapi will ein differenziertes Bild eines Landes zeigen, das in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit in Verruf kam. Das gelang ihr zuerst mit ihrem Comic und jetzt auch mit dem Zeichentrickfilm. Sie vertritt es unaufdringlich und mit viel leisem Humor, ohne je missionarisch zu sein.

16.02.2024

4

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Kommentare

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jasminola

vor 12 Jahren

Bringt einem Geschichte näher. Mit viel Witz und Charme!


imnu

vor 16 Jahren

einfach aussergewönlich spitze


andrekeppler

vor 16 Jahren

Ich finde den Film nicht sehr empfehlenswert... Ich fand die Grossmutter das Beste am ganzen Film


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