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Max Bill - Das absolute Augenmass Schweiz 2008 – 93min.

Filmkritik

Sein und Design

Filmkritik: Eduard Ulrich

2008 kann der 100. Geburtstag Max Bills gefeiert werden, eines Visionärs und bahnbrechendes Multitalents, dessen Werk weltweit höchste Anerkennung geniesst und die Moderne prägte. Erich Schmid hat sich der verdienstvollen Aufgabe angenommen, Biografie und künstlerische Essenz zu dokumentieren. Auch wenn er sich damit übernommen hat, soll das nicht vom Kinobesuch abhalten.

Als Max Bill 1994 86-jährig starb, hatte er nicht nur in der Architektur, Bildhauerei, Malerei und Produktgestaltung Hervorragendes geleistet, er konnte auch auf ein sozial und politisch engagiertes Leben zurückblicken, das sich von seinem frühen Antifaschismus über sein ökologisches Verantwortungsbewusstsein bis zu seinem Nationalratsmandat logisch und vorbildlich entwickelt hatte.

1998 heirateten der Regisseur Erich Schmid und die zweite Ehefrau Bills, die Bill die letzten 20 Jahre seines Lebens begleitet hatte und nun seine Biografie verfasst. Sie wohnen zusammen im Zumiker Haus Bills, und so konnte der Regisseur aus dem Vollen schöpfen, weil er nicht nur die üblichen Quellen wie persönliche Aufzeichnungen, Fotos, Filme, Zeitzeugen und Werke heranziehen, sondern als ehelicher und "häuslicher" Nachfolger auch die Witwe befragen und das Lebensgefühl nachempfinden konnte.

Geht man zu weit, wenn man Schmid eine gewisse Alter-Egomanie unterstellt? Tatsache ist jedenfalls, dass Schmid unglaublich akribisch recherchiert hat und von der Fülle des Materials schier erdrückt wurde. Das Publikum textet er aber weder zu, noch ertränkt er es in einer Bilderflut. Leider nimmt jedoch seine Frau zuviel Raum ein und hinterlässt durch ihren leidgeprüften Blick und ihre Auslassungen mit einem oft klagenden Unterton (unter anderem berechtigt wegen der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer Beziehung zum ca. 40 Jahre älteren Bill) einen durchaus unvorteilhaften Eindruck, der auf die Atmosphäre des Films durchschlägt.

Man kann entweder trauern, weil ein so vortrefflicher Künstler sein Werk ein für allemal abgeschlossen hat, oder man kann sich an seinen Leistungen und Wirkungen freuen. Während für die Witwe wohl der Schmerz im Vordergrund steht, sind Gesellschaft und Journaille gut beraten, das Nachleuchten eines Ausnahmetalents mit globaler Ausstrahlung zu feiern. Dem Film ist trotzdem ein zahlreiches Publikum zu wünschen, denn Bills Werk ist momentan aktuell, weil der ökologische Schuh drückt, und es setzt wohl noch für viele Generationen gültige Massstäbe. Die handwerklich saubere Arbeit und der unterlegte geschmackvolle Kammer-Jazz sind angenehme Pluspunkte.

02.10.2008

3

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Kommentare

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ylena

vor 16 Jahren

Der Film wurde am Filmfestival Locarno gezeigt und ich habe selten so ein spannendes Künstlerportrait wie dieses gesehen. Durch den Film habe ich viel Neues über Max Bill und das Bauhaus erfahren. Für Kunstinterssierte ein "must see"!


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