Der Mond und andere Liebhaber Deutschland 2008

Filmkritik

Drama, Baby!

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Nach dem Erfolgsrezept seines Kinoerstlings «Du bist nicht allein» schiebt Regisseur Bernd Böhlich jetzt erneut ein «melancholisches Märchen» über eine einfache Frau jenseits der 50 nach. Das Drehbuch hat er der in dieser Rolle unvermeidlichen Katharina Thalbach auf den Leib geschrieben - allerdings in äußerst abenteuerlichen dramaturgischen Wendungen, die allzu oft für unfreiwillige Komik sorgen.

«Etwas besseres als den Tod finden wir überall» - dieses Credo der Bremer Stadtmusikanten scheint das Lebensmotto von Hanna zu sein, einer energischen, impulsiven «Stehauffrau aus dem Volk». Und tatsächlich: Nach der Sprengung der Kosmetikfabrik, in der sie und ihre junge Kollegin Dani (Fritzi Haberlandt) in der «Arbeit bis man richtig müde ist» und besonders dem deftigen Kantinenessen ein geliebtes Zuhause hatten, findet Hanna in überaus rascher Folge einen neuen Job und einen alten Verehrer.

Passend zu den wie für sie geschriebenen legendären Lied-Zeilen «So ne kleine Frau // und so 'ne große Lust» schmeißt sie sich alsbald dem Silly-Leadgitarristen an den Hals, von dem sie aber umgehend aufgrund eines überraschenden Tombolagewinns Abschied nimmt. In den gewonnenen Türkeiurlaub nimmt sie Tochter Karla mit und auch wenn es immer regnet und die Männer über das geistige Verfallsdatum sind - Hanna genießt komme was wolle. Dass noch etwas kommt, darauf hofft sie allerdings nachdrücklich. Denn immer wenn die von der konsequent leise Töne vermeidenden Katharina Thalbach zu Stichwortgebern reduzierten Nebenfiguren gerade abwesend, bzw. miteinander oder dem Sterben beschäftigt sind, spricht die atemlose One-Woman-Schau mit dem Mond, dem Meer, einem Grabstein oder - wie seinerzeit für die Bühne gelernt - «beiseite».

In der Türkei wird also Gott in Verkörperung des Mondes bemüht: «Das kann doch nicht alles gewesen sein, da muss doch noch was kommen». Bedenke worum Du bittest, der Autorenfimer könnte es gewähren. Und der lädt nun wirklich noch einiges auf die Schultern seiner «kleinen Frau», lässt auf jeden unbeschwerten Moment das Schicksal herniederdonnern und schickt die Thalbach in einem zunehmend hanebüchenen Plot durch Familientragödie, Suizidversuch, große Liebe in einer Nacht, Irrenanstalt, Blitzheirat mit einem Ersatz-Dummie und eine dramaturgische Kapriole, die man mit «lieber Arm ab als arm dran» umschreiben könnte.

Ob vor oder hinter dem Tresen, ob beim Klauen oder im Call-Center, ob am Grab oder in der Tanke, allein oder zu zweit - die zugegeben tolle Schauspielerin Katharina Thalbach treibt es hier toll und toller. Und Regisseur Bernd Böhlich guckt zu. Ihm gelingt es nicht, ihre geballte Energie zu kanalisieren und in glaubwürdige Bahnen zu lenken, wodurch er unfreiwillig seine Hauptdarstellerin diskreditiert, die so im ewigen Overacting gefangen scheint.

Obwohl immer wieder eindringliche Szenen entstehen, Fritzi Haberlandt ihr Möglichstes versucht und Andreas Schmidt als prototypisch besetzter tragikomischer Sidekick für gelegentliches Schmunzeln sorgen kann - das Talent eines Andreas Dresen zum Minimalismus, dem leisen Auserzählen kleiner Erzählbögen, das fehlt Böhlich leider.

Neben der zu Sujet und Stimmungen passenden Musik von Silly oder auch Baba Zula (Gegen die Wand) gibt es genau einen Grund, «Der Mond und andere Liebhaber» doch anzusehen: Birol Ünel.

Ünel, sonst oft als «Mann fürs Extreme» besetzt, glänzt hier in der Rolle des «melancholischen Fremden aus Kashmir mit samtener Haut» durch unerwartet zurückgenommenes Spiel und überzeugend natürliche Präsenz. Mehr sehen möchte man von diesem charismatischen Darsteller auf deutschen Leinwänden: Großes Kino und große Gefühle. Vielleicht erzählt derweil jemand Bernd Böhlich, dass dafür nicht zwingend Riesenkatastrophen und permanentes Drama vonnöten sind.

21.07.2008

2

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

thymian

vor 14 Jahren

Ganz starke Katharina Thalbach, eigentlich wie immer. Diese Rolle ist an Dramatik ja kaum zu überbieten, aber sie hält den Kopf hoch. Das Ende ist mit das Beste, wie es weitergeht kann man sich schön erträumen-


Mehr Filmkritiken

Gladiator II

Red One - Alarmstufe Weihnachten

Venom: The Last Dance

Typisch Emil