Lake Tahoe Japan, Mexiko, USA 2008 – 82min.
Filmkritik
Therapeutische Ersatzteilsuche
Der mexikanische Regisseur Fernando Eimbcke schickt in seinem zweiten, dogmakonformen Spielfilm einen gerade erwachsen werdenden Burschen auf eine Ersatzteilsuche, an deren Ende er einen Teil seiner selbst gefunden hat.
Wenn wir nach einigen Minuten des abwechselnd visuellen Geschehens und des reinen Hörens während der Schwarzfilmeinlagen endlich sehen, was wir eigentlich schon gehört haben, hat sich bereits eine bedrohliche Atmosphäre aufgebaut. Wie der etwa 20jährige Juan, wunderbar linkisch und teilweise unsicher vom Laiendarsteller Diego Cataño verkörpert, wissen wir nicht, was uns erwartet, versuchen das Gesehene und Gehörte zu interpretieren und mit einem alles einordnenden Sinn zu versehen.
Das könnte schwierig werden, wie es auch schwierig ist, nach einem Schicksalsschlag einen Lebenssinn zu finden, wenn gerade das zerstört wurde, was ihn ausmachte. Juan jedenfalls hat ein konkretes Problem: Er muss ein Ersatzteil auftreiben, das neben seiner Funktion als Handlungsmotor auch symbolische Bedeutung trägt. Auf seiner 24 Stunden langen Miniodyssee durch eine verschlafene Kleinstadt, die ihn mehrmals an die selben Orte führt und ihm so im Sinne der Spiralentwicklungstheorie die Gelegenheit gibt, verschiedene Reaktionen in ähnlichen Situationen auszuprobieren und daran zu wachsen, lernt er einige skurrile Zeigenossen näher kennen, die sich als Wundertüten entpuppen.
Wie in Regisseur Eimbckes herzigem Erstling "Temporada de patos" wirken alle Figuren trotzdem durch und durch authentisch. Konsequenterweise setzt er auf natürliches Licht, handwerklich einfache, aber wirksame filmische Mittel wie beispielsweise das Spiel mit dem bildangrenzenden Raum und die erwähnten Schwarzfilmeinlagen sowie ein digitaltechnikloses Bearbeiten. Erzählerisch scheint er dem Kaurismäkischen Lakonieprinzip zu huldigen: lieber ein Satz zuwenig als ein Wort zuviel. Erklärt wird also nichts, und auch die meisten Figuren halten sich an diese Devise, reden wenig und setzen den Verständniskontext beim Kommunikationspartner voraus.
Bezeichnenderweise quatscht die einzig redselige Figur unserem Juan die Ohren zu einem Thema voll, das jenen nicht im geringsten interessiert. Das Publikum kann mitdenken und versuchen, sich einen Reim auf das notgedrungen planlose Geschehen zu machen. Man darf immerhin verraten, dass sich alles am Ende schlüssig auflöst, ohne die Geschichte zu entwerten. Dieser feine, auf seine Figuren konzentrierte Film richtet sich an ein sensibles Publikum und konnte bereits einige Festivalpreise (Berlin 2008) und -einladungen (Cannes 2008) verbuchen.
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