Little Paris Deutschland 2008

Filmkritik

Dancing in the Industriegebiet

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Das deutsche Kino kennt derzeit, wenn man es böse formulieren möchte, vor allem drei Spielarten: historisch angehauchte Bestseller-Verfilmungen (vom "Baader Meinhof Komplex" über "Anonyma" bis hin zu den "Buddenbrooks"), Komödien mit Til Schweiger oder Bully Herbig und schließlich all jene in grau gehaltenen Coming of Age-Geschichten, in denen Jungregisseure die Tristesse des Erwachsenwerdens in der Provinz beschreiben.

Dass es durchaus auch anders geht, beweist Miriam Dehne, die bisher ein Drittel des Episodenfilms "Stadt als Beute" sowie die Internet-Soap "They Call Us Candy Girls" inszenierte. In "Little Paris" jedenfalls erzählt die Regisseurin und Autorin eine Geschichte, wie man sie sonst eher aus Hollywood kennt. Luna (Sylta Fee Wegmann) hängt zwischen lauter Aushilfsjob in der Provinz fest, obwohl sie doch eigentlich von einer Karriere als Tänzerin träumt. Dann aber lernt sie den charismatischen G (Patriq Pinheiro) kennen, der sie nicht nur für einen Tanzwettbewerb trainieren will, sondern Luna auch in die große weite Welt mitnehmen möchte.

Alle Handlungsversatzstücke, die man aus gängigen US-Teenie-Tanzfilmen wie "Step Up" oder "Save the Last Dance" kennt, hat auch "Little Paris" zu bieten: die Liebe zu einem Mann aus einer ganz anderen Welt, der erste Erfolg bei einem Wettbewerb, der Betrug der besten Freundin, die große Krise kurz vorm Finale und natürlich der furiose letzte Auftritt. Doch Dehnes Film bezieht seinen Reiz daraus, wie eben diese Hollywoodformel auf geradezu typisch deutsche Weise - und vor allem in einem solchen Milieu - erzählt wird.

Die tänzelnden Schritte Richtung Selbstverwirklichung finden hier also in einer Welt der Großraumdiskos, Bausparverträgen und trostlosen Industriegebieten (samt Eiffelturmnachbildung auf einem Fabrikdach) statt. Statt nach funkelndem Hochglanz sehen die Locations kaum weniger grau aus als in anderen Arbeiten deutscher Filmhochschüler. Der daraus entstehende Kontrast ist auf interessante Weise irritierend - und wird von der Filmemacherin noch ganz gezielt in eine absurde Künstlichkeit übersteigert. Also hoppeln hier rosa Kaninchen übers Feld, während die örtliche (und stets leere) Eisdiele aussieht wie aus einer 50er Jahre-Hommage von John Waters.

Ob die mitunter arg naiven Dialoge und das teilweise unbedarfte Spiel der Hauptdarsteller Teil des künstlerischen Gesamtkonzepts ist, wird nie wirklich klar, doch vielleicht ist auch dieser Effekt beabsichtigt. Dass in Nebenrollen bekannte Gesichter wie Stipe Erceg, Inga Busch oder Jasmin Schwiers auftauchen und vor allem die großartige Kamerafrau Sonja Rom mit der Gestaltung der fantastischen Bilder betraut wurde, macht Dehnes Film aber auch unabhängig vom Erzählansatz sehenswert - und setzt ihn vor allem erfreulich vom Gros des deutschen Kinos ab.

18.12.2008

4

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