Spiel der Träume - Die wahre Geschichte eines falschen Teams Deutschland, Italien, Sri Lanka 2008 – 108min.

Filmkritik

Foulspiel in eine bessere Welt

Christof Zurschmitten
Filmkritik: Christof Zurschmitten

Eine Gruppe von Slumbewohnern gibt sich als "National Handball Team of Sri Lanka" aus, um sich ein deutsches Visum zu erschwindeln: Das ist so irrwitzig wie wahr. Und "Machan" nicht nur deswegen der bessere "Slumdog Millionaire".

In nicht allzu ferner Zukunft wird wohl jemand ein Buch über die "Entdeckung des Slums als Filmschauplatz" schreiben und dabei an die zweite Hälfte der Nuller-Jahre denken: An den Trophäen-Regen für "Tsotsi", den Zuschaueraufmarsch zur Alien-Deportation in "District 9" oder den knallenden Oscar-Rabatz "Slumdog Millionaire". Nirgends taugt neuerdings der Slum nicht als Bühne sozialer Konflikte, auf der man alles aufführen darf: Ob Liebesmelodram in MTV-Optik oder Sci-Fi-Kracher - eine Wellblechhütte am Horizont, ein schmutziges Kind an der Wegkreuzung, schon wird selbst aus dem poliertesten Studioset ein Ort tiefsinniger Gesellschaftskritik. "Machan" macht da nicht mit.

Dank einer bizzaren Geschichte braucht er es auch nicht. Anno 2004 verschwanden 23 Männer, die sich als "National Handball Team of Sri Lanka" ausgegeben hatten, nach an einem Turnier in Bayern spurlos - anscheinend ein genial-dreister Coup, um der heimischen Tristesse mittels illegaler Einreise in Europa zu entkommen. Und quasi nebenher eine Begebenheit, durch die mit bitterer Ironie die globale Schieflage durchscheint: Von solchen Einfällen träumen Drehbuchschreiber ganze Karrieren lang.

Kein Zufall, dass da ein Filmmacher zugreifen würde - ein Glücksfall aber, dass es Uberto Pasolini war, ein Regisseur, der im Vertrauen auf die Kraft der Geschichte ganz auf klassische Tugenden setzt. "Machan" folgt bewährten Mustern der Ethno- und Underdog-Komödie, die lokalen Laiendarsteller versprühen weniger Glamour als Sympathie und die Optik bleibt vergleichsweise nüchtern. Der Slum ist hier für einmal nicht Schauplatz von Spektakel, sondern von einer grossen Geschichte und vielen kleinen Erzählungen um 23 Männer, die jeder für sich kaum zum Helden taugen, gemeinsam aber ein lebendiges Porträt der durchmischten Unterschichtsgesellschaft Sri Lankas zeichnen. Und ein witziges zudem, ohne dass der unaufdringliche Humor die irre Geschichte je zur reinen Lachnummer verkommen liesse oder gar zur Lektion darin, dass der Mensch, das erstaunliche Wesen, auch im Dreck noch gut Lachen hat.

Dreckig ist der Slum zweifelsohne auch in "Machan". Aber er ist weder soziale Hölle noch sozialromantische Verklärung, sondern ein Lebensraum, in dem jeder, so gut es eben geht, irgendwie versucht zurecht zu kommen. Zur Not halt eben auch im Handball-Trikot.

06.10.2009

4

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Kommentare

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mrroboto

vor 15 Jahren

Unglaublich, was die Typen da abgezogen haben! Diese Geschichte sollte man sich unbedingt ansehen. Der Film hat zwar stellenweise seine Längen, alles in allem ist er aber witzig und unterhaltsam.


stefanescu

vor 15 Jahren

Komödie oder Sozialdrama? Von beidem etwas - aber ohne beliebig zu werden.
Die Kraft des Wunsches nach Veränderung, um sein Leben zu leben. Der Wille, sein durch die politischen Umstände brachliegendes Potenzial nutzen zu können.
Diese Energien, verkörpert in den drei Hauptdarstellern, bringen Singhalesen, Tamilen und gestrandete ausländische Flüchtlinge zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammen, die es schafft, das Unmögliche wahr zu machen: die Ausreise/Flucht nach Europa. Sehr komisch. Tief menschlich. Das offene Ende lässt Raum für Hoffnung, ohne zu verklären. Ein Glücksfall.Mehr anzeigen


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