Patti Smith: Dream of Life USA 2008 – 100min.

Filmkritik

Mit Daddy auf dem Roskilde-Festival

Sonja Eismann
Filmkritik: Sonja Eismann

Über elf Jahre begleitete der Fotograf Steven Sebring die Musikerin Patti Smith, ohne jemals vorher einen Film realisiert zu haben. Ergebnis dieser episch langen Zusammenarbeit sind viele lyrische Überhöhungen, aber auch rührende Einblicke in das Privatleben der rauen Punkrocker-Poetin.

Nachdem Steven Sebring Patti Smith 1995 - kurz nach dem Tod ihres Mannes Fred "Sonic" Smith und kurz vor dem Ende ihrer langen Bühnenabsenz - zu einem Fotoshooting getroffen und wenige Wochen darauf das erste Mal live gesehen hatte, war ihm klar, dass er derjenige sein wollte, der den bis dato nicht existenten Film über ihr Leben enstehen liess. So erzählt "Dream of Life", der tatsächlich so poetisch-pathetisch angelegt ist, wie der Titel nahe legt, nicht-chronologisch und in verwackelt-verschwommenen Bildern die lyrische Seite der Burroughs- und Ginsberg-Intima. Dokumentarische Einblicke in das Leben der Bühnen- und Privatperson Patti Smith werden dazwischen geschnitten.

Wir sehen Patti Smith bei einer Gitarrenstunde mit Sam Shepard, bei einem Strandgespräch mit Flea von den Red Hot Chili Peppers, bei Allen Ginsbergs Totenfeier , am Grab der von ihr verehrten Dichter Blake und Rimbaud sowie auf zahllosen Reisen zwischen Mittlerem Osten und Japan. Die aufwühlenderen Momente sind allerdings jene, in denen man, neben ihrem heute etwas antiquiert wirkenden Poeten-Gestus, einen Eindruck davon bekommt, was Patti Smith eigentlich für eine Person ist. Mit ihren Kindern hinter der Bühne oder unterwegs in New York, zu Hause bei ihren rührend spießigen alten Eltern, die in ihrem vollgestopften Häuschen auf dem Sofa Händchen halten (Daddy trägt ein Roskilde-Shirt, und dreimal darf man raten, wer ihm das wohl geschenkt hat) oder backstage mit ihrer Crew, für die sie frappierend exakt Bob Dylans nasalen New-York-Slang nachmacht - überall da wirkt Smith liebevoll und sogar ganz schön lustig. In der Szene, in der sie zerstreut die menschlichen Überreste ihres guten Freundes Robert Mapplethorpe aus einer Urne fummelt, um sie andächtig auf ihrem Handteller zu verteilen, weiß man dann gar nicht mehr genau, ob das jetzt urkomisch oder tieftraurig ist. Auch die Live-Auschnitte, bei denen die imposant androgyne Gestalt, die tatsächlich in erster Linie sich selbst und kein bestimmtes Geschlecht repräsentiert, alte Klassiker brüllt oder gegen George Bush wettert, sind eindrucksvoll.

Das Problem des Films jedoch ist recht gut mit den Anmerkungen des Regisseurs im Presseheft umrissen, in dem er schreibt: "Jeder Mensch hat mehr als nur eine Seite. Ich weiss von mir, dass ich nicht einfach nur ein Modefotograf bin. Und Patti Smith ist gewiss nicht einfach nur eine Rock-Ikone. Sie ist sehr viel mehr." Wow, noch mehr als eine Ikone? Ist das nicht schon ganz schön viel? Der Modefotograf, der selbst so viel mehr sein möchte, verhebt sich letztlich an seinem eigenen artsy Anspruch und produziert da klischierte Bilder, wo es genügt hätte, einfach nur die Kamera drauf zu halten. Denn Patti Smith, so streitbar sie als Person auch sein mag, ist schon allein durch ihre Verwurzelung in der frühen New-Yorker Punk- und Beatszene eine Figur, die man gar nicht interessanter machen muss.

13.02.2013

3

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Kommentare

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uster1968

vor 15 Jahren

Ein Film über eine Frau die immer schon ihren Weg ging. Andres als die Stones oder andere Gruppen die irgendeinmal ihre Ideen und Idiologie mit Geld vertauschen zieht Smith ihr Ding durch. Einmalig wie ihre Musik. Sie ist Politikerin, Poetin, Artistin und Musikerin zugleich was man in diesem Film gut sehen kann. Einmalig und unbediengt sehenswert.Mehr anzeigen


faithfull

vor 15 Jahren

Was für ein grossartiger Film! Der Film ist ebenso grossartig, wie es diese Sängerin ist! "Dream of Life" kam bereits vor einigen Monaten auf arte. Entsprechend bin ich erstaunt, dass er nun ins Kino kommt (und es nicht umgekehrt ist). Passend zum Filmstart: Patti Smith ist im Dezember geboren, nämlich am 30. Dezember 1946. Welch Zufall! Nur 1 Tag nach Marianne Faithfull und 9 Tage vor David Bowie. Geboren inmitten von grossen Weltstars also. Patti ist einmalig: als Sängerin, als Poetin, als Person. Prädikat: "just great"!Mehr anzeigen


kea

vor 15 Jahren

Sehr interessant und lustig, was über die "Patti" anders zu erfahren ist!


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