The Sound of Insects Schweiz 2008 – 88min.
Filmkritik
Jeder stirbt für sich allein
Radikalfilmer Peter Liechti ließ sich von einer Erzählung über einen Japaner inspirieren, der sich zu Tode gehungert und dabei Tagebuch geführt hatte. Die Bilder dazu sind zwar dokumentarischer Art, aber zusammen mit der Collage auf der Tonspur und den Zitaten ist ein Genre-Grenzen sprengendes, extrem subjektives Werk entstanden.
1990 publizierte der Japaner Shimada Masahiko eine Erzählung, die angeblich auf dem Tagebuch eines 40-jährigen Landsmanns beruhte, der sich selbst in einer kleinen Waldhütte verhungern ließ, wo er Gedanken und Beobachtungen bis kurz vor seinem Tode niederschrieb. Seine Gründe kommen darin allerdings nur selten zur Sprache. Einige Monate später sollen er und seine Notizen gefunden worden sein.
Da offenbar nur die literarisch bearbeiteten Teile davon publiziert sind, ist bereits in der Vorlage die Grenze zwischen Fiktion und Realität verwischt. Die Zitate sind angesichts des nahen und schmerzvollen Todes erstaunlich gelassen, lakonisch und manchmal sogar ironisch. Peter Liechti geht aber noch einen Schritt weiter: Obwohl die meisten der Bilder, die er ausgesucht hat, nicht inszeniert sind - oft ist die Natur mit Wiesen, Wald, Wasser, Wolken, Vogelschwärme zu sehen -, wirken sie in ihrer Relation zum rezitierten Text viel mehr poetisch denn dokumentarisch. Auch die Studioaufnahmen des singenden Christoph Hombergers tragen mit ihrer beinah verzerrenden Perspektive und dem leidenden Gesichtsausdruck die künstlerisch gestaltende Handschrift.
Trotzdem erscheint die Sujetwahl nicht zwingend oder schlüssig, sondern willkürlich. Auch sind die Motive nicht innovativ, sie knüpfen vielmehr oft an christliche oder abendländische Vorstellungen an, oder sie rekurrieren auf ein archaisches Weltbild, obwohl der Protokollant aus einer völlig anderen Gesellschaft kommt und es zwei spannende Herausforderungen gegeben hätte: eine japanische Vorstellungswelt zu bebildern oder eine universelle - oder wenigstens europäische - moderne Bildwelt zu schaffen.
Uneingeschränktes Lob verdient allerdings die Tonspur, die den Bildern glatt die Schau stiehlt. Leider gibt's auch da etwas zu bemäkeln: Das Deutsch der Übersetzung ist manchmal stilistisch und wörtlich fragwürdig, und der Sprecher verschluckt Silben und setzt falsche Wortschwerpunkte, als ob er den Text nicht verstünde.
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