Filmkritik
Leben über den Gräbern
Das westliche Theben erstreckt sich am linken Nilufer, gegenüber den Tempelanlagen von Luxor in Oberägypten. Am Rande der grossen Touristenströme leben Menschen in kleinen Siedlungen ihr traditionelles Leben. Ohne Kommentar oder Dialoge, dafür mit experimenteller Musik und eindrücklichen Bildern, wird der Alltag der Bewohner eines Dorfes im Dokumentarfilm des Schweizers Jacques Siron beschrieben.
Der Schweizer Musiker und Regisseur Jacques Siron zeigt in seinem Dokumentarfilm das Leben in einem Dorf in Oberägypten neben den antiken Gräbern und Tempelanlagen im Tal der Könige. Am gegenüberliegenden Ufer des Nils liegt Luxor, wo täglich Busladungen von Touristen zu den Kultstätten gekarrt werden. Zentrum des Film sind das traditionelle Leben der Dorfbewohner in der kargen Wüstenlandschaft - von den Fremden weitgehend unbeachtet - und die Gegensätze, die sich durch diese Schnittstelle von Tradition und Tourismus, Geschichte und Gegenwart, Armut und Reichtum ergeben.
Eindrückliche Aufnahmen (Kamera: Pio Corradi) zeigen Menschen, Tiere und Landschaft rund um das Dorf. Zum Teil sind es unkonventionelle Bilder: Detailaufnahmen von Türen, Fenstern, Alltagsgegenständen, oder Nahaufnahmen der Gesichter oder Hände der Beobachteten beschreiben das Leben im Dorf. Die Kamera ist den Menschen nahe, ist mittendrin bei der täglichen Arbeit der Frauen und Männer, beim Spiel der Kinder oder im hektischen Treiben auf dem Markt.
Trotzdem bleibt die Distanz zwischen dem Zuschauer und den Dorfbewohnern gross, sie bleiben fremd und unnahbar. Immer wieder unterbrechen kurze "Abstecher" zum hektisch anmutenden Sight Seeing der Touristen bei den nahen Tempelanlagen den Blick auf das Geschehen im Dorf. Die Welt der Touristen wirkt neben der traditionellen komisch, in einigen Szenen - wenn Touristen auf dem Rücken von kleinen, abgemagerten Eseln zum nächsten Tempel hoppeln - fast lächerlich. Unterstützt wird das Visuelle durch die experimentellen Klänge Jacques Sirons "Trio Afrogarage" (Christoph Baumann, Jacques Siron, Dieter Ulrich). Und die Musik ist denn auch genauso zentral in "Thèbes à l'ombre de la tombe" wie die Bilder selbst.
Der Film will "nur beobachten, nicht erklären". Durch das Fehlen eines Kommentars, bleibt allerdings einiges offen - so zum Beispiel, was mit den Dorfbewohnern geschieht, nachdem die Bagger ihre Häuser zerstört haben, weil sich antike Gräber unter dem Dorf befinden, und dies deshalb einer Ausgrabunsstätte Platz machen soll. Die finanzielle Einnahmequelle Tourismus bedeutet für die Dorfbewohner nicht nur Profit, sondern gleichzeitig die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage. Dies wird nur in einer kurzen Sequenz von Fotos thematisiert. Schade, denn hier wäre es interessant gewesen, mehr zu erfahren. Zwar gelingt die Darstellung der Gegensätze, der Kontraste, wenn die ungleichen Welten der Einheimischen und der Touristen aufeinander prallen. Die experimentelle Musik, wirkt aber streckenweise zu stark und eher störend. Fast hat man zuweilen den Eindruck, die Musik werde zum Selbstzweck, und die Bilder dienen lediglich als "Transportmittel" für die Klänge des "Trio Afrogarage".
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