Drei Affen - Nichts hören - nichts sehen - nichts sagen Frankreich, Italien, Türkei 2008 – 109min.

Filmkritik

Szenen einer türkischen Ehe

Filmkritik: Eduard Ulrich

Auch wenn der Preis in Cannes für die beste Regie ein politisches Bekenntnis gegen die Unterdrückung der Frau in der türkischen Gesellschaft war: Die verhaltene, stilistisch makellose Inszenierung dieser Tragödie einer brüchigen Ehe verdient hohe Anerkennung.

Kürzlich wurde eine Untersuchung publiziert, die einen erschreckend hohen Anteil an türkischen Frauen auswies, die regelmäßig von ihrem Ehemann geschlagen werden. Regisseur Nuri Bilge Ceylan ist mit einer Schauspielerin verheiratet, und gemeinsam mit einem weiteren Hauptdarsteller schrieb das Paar das Drehbuch. Logischerweise ist die berufstätige Ehefrau, die in der 3-Personenfamilie mit dem ca. 20-jährigen Sohn das Zentrum bildet, eine starke Persönlichkeit.

Ihr Mann ist Chauffeur eines Politikers (gespielt vom Drehbuch-Koautor Ercan Kesal), dessen Karriere durch die aufkommenden, unbestechlichen Islamisten auf der Kippe steht. Der Sohn hat die Aufnahmeprüfung der Universität vermasselt und hängt nun manchmal mit dubiosen Typen herum, was seiner Mutter überhaupt nicht gefällt. In diesem Kräfteparallelogramm unzufriedener oder durch äußere Umstände bedrängter Menschen entwickeln sich die Spannungen, die dem ganzen Film eine beklemmende Stimmung verleihen. Visuell wird dies durch viele Nahaufnahmen, wenige Übersichten und eine geringe Zahl Drehorte, meist Innenräume, unterstrichen.

Die latente Explosionsgefahr rührt wohl auch daher, dass die Frage verhandelt wird, wie Menschen agieren, wenn sich die Verhältnisse ändern, indem ein bisher lebensbestimmender Druck temporär nachlässt. Die Diagnose (nicht nur) für die türkische Gesellschaft lautet hier ungeschminkt, dass es nicht mehr im alten Gleis weitergeht, weil die Geknechteten jede sich bietende Gelegenheit nutzen, etwas Freiraum zu erobern. Andererseits sieht man auch überdeutlich, wie schlecht jemand mit Freiheit umgehen kann, der es nicht gelernt hat. Wenn die Akteure obendrein nicht miteinander kommunizieren, wie die Affen im titelgebenden Bild, können die Spannungen auch nicht zivilisiert abgebaut werden.

Der Stoff ist also einer antiken griechischen Tragödie würdig, der Anspruch ans Publikum ist dementsprechend hoch. Viel Zeit vergeht, bis das Terrain abgesteckt ist und die Dramatik an Fahrt gewinnt. Die Hauptdarstellerin kommt vom Theater und darf das auch zeigen. Die Kamera schaut ungerührt zu, wenn aus dem Schlaf- ein Schlagzimmer wird. Übernimmt dann noch das Mobiltelefon eine melodramatisch konnotierte Doppelfunktion, indem es die Gefühlslage der Eignerin hinausposaunt und Informationslücken schließt, kann das ein wenig dick aufgetragen wirken, denn soviel verraten die Akteuere nicht freiwillig - Kommunikation als Panne statt Intention. Die Transformation der klassischen griechischen in eine moderne türkische Tragödie ist jedenfalls noch nicht vollendet.

03.12.2020

4

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