Un barrage contre le Pacifique Belgien, Kambodscha, Frankreich 2008 – 115min.
Filmkritik
Kolonial- und Familiengeschichte(n)
Isabelle Huppert als verwittwete Kolonialistin in Kambodscha: Bemerkenswert sind die Bilder, die Rithy Panh in seiner Heimat zum Roman von Marguerite Duras schuf.
Schon als Jugendlicher floh Rithy Panh von Kambodscha nach Frankreich, aber seit langem lebt und arbeitet er wieder in Kambodscha. Dennoch ließ ihn der Roman von Marguerite Duras über ihre Zeit in seinem Heimatland offenbar nicht los, und so legt er nun eine Filmfassung des Stoffs vor, die vor allem eines ist: Eine zwar unauf-, aber äußerst eindringliche Geschichtslektion.
Schon der Titel von Film und Roman charakterisiert symbolisch die Kolonialisierungsanstrengungen Frankreichs. Duras verbrachte selbst ihre Kindheit in Kambodscha, und diese Erfahrung aus erster Hand merkt man der Geschichte auch an. Unverblümt werden Ausbeutung, Vertreibung, Erniedrigung und Entwürdigung der Kambodschaner, aber auch Brutalität gegenüber Mensch und Tier, Dünkel und Korruption der Franzosen geschildert. Hier wird bereits der Keim zur Niederlage der einstigen Kolonialmacht und der ihren Platz in Indochina einnehmenden Weltmacht gesät.
Die prächtigen Bilder, die Authentizität und Genauigkeit in den Details werden vom nicht stringenten Romanhandlungstorso nur unzureichend eingelöst, der trotz einer stupenden Isabelle Huppert in der Rolle der verwitweten Reisplantagenbetreiberin keinen Sog entwickelt. Episodenhaft sieht man sie auf verlorenem Posten um Land, Ernte und überfordert mit der Erziehung ihrer bald erwachsenen Kinder kämpfen. Oft wirkt sie geistesabwesend, manchmal nervös und selten sogar etwas verrückt.
Isabelle Huppert hat in den letzten Jahren meist solche Figuren verkörpert, die nicht mehr ganz bei sich sind, und dennoch gelingen ihr neue Facetten. Der Kontrast zum Wesen ihres 20-jährigen Sohnes könnte kaum größer sein, der als ungehobelter Klotz voller Energie alles um sich herum plattwalzt. Und auch die 16-jährige Tochter scheint nicht die selbe Mutter zu haben, denn sie entdeckt ihre Sinnlichkeit und probiert sich aus.
Wie schon in "L'Amant", einem anderen opulent verfilmten Duras-Roman, erliegt auch hier ein schöner, reicher Chinese dem Charme einer Französin und lässt sich ausnehmen und demütigen. Das ganze Geschehen mutet uns heutzutage extrem befremdlich an, aber das Auftreten der Amerikaner im Irak und Afghanistan zeigt, dass jede Generation selbst lernen muss, das Fremde zu respektieren und als Alternative zu erschließen. Versucht man, den bisherigen Lebensstil auf Kosten anderer fortzusetzen, verpasst man das Wesentliche, lässt Chancen ungenutzt vorbeiziehen (hier diejenige zur Emanzipation) und riskiert zu scheitern.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung