Un conte de Noël Frankreich 2008 – 150min.
Filmkritik
Oh je du fröhliche
Arnaud Desplechin führt eine verkrachte Großfamilie an Weihnachten wieder zusammen und nimmt dabei das Publikum auf eine so gar nicht besinnliche Reise an die Abgründe von Schuldzuweisungen und blankem Hass mit.
Ach herrje, du fröhliche. Man kennt diese Idee des perfiden Plots: Eine Familie, hinter deren bürgerlicher Fassade dunkelste Abgründe und Zerwürfnisse lauern, kommt zum Fest der Liebe (oder zu irgendeinem anderen Familienfest, siehe Thomas Vinterbergs "Festen") zusammen. Und alle Scheußlichkeiten brechen auf einmal auf. Nach diesem Schema geht auch Arnaud Desplechin, wieder einmal, wie schon zuvor bei "Esther Kahn" und "Comment je me suis disputé (ma vie sexuelle)", im Verein mit Drehbuchautor (und Pierres Sohn) Emmanuel Bourdieu vor.
Die Psychokrisen-geschüttelte Roubaixer Familie Vuillard hätte eigentlich vier erwachsene Kinder, doch der erstgeborene Sohn Joseph stirbt schon in den 1960er Jahren als Kind an einer seltenen genetischen Krankheit, da sich in der Familie kein geeigneter Knochenmarkspender findet. Die danach auf die Welt gekommenen Sprösslinge Elizabeth, Henri und Ivan sowie die Eltern selbst leiden alle auf ihre Weise an dieser Tragödie. Die verhuschte Elizabeth ist von ihrem Hass auf den Alkoholiker-Hallodri Henri fast zerfressen und möchte ihn aus ihrer Familie verbannen, was jener wiederum mit reichlich Aggressivität quittiert, und das Nesthäkchen Ivan versucht, alles Negative möglichst auszublenden. An Weihnachten kommt es im prächtig-bourgeoisen Elternhaus in Roubaix zum Showdown, als sich herausstellt, dass die Matriarchin Junon an derselben Krankheit wie ihr verstorbener Sohn leidet. Nun braucht es einen Knochenmarkspender.
Mit einem hochkarätigen Cast aus Catherine Deneuve und ihrer Tochter Chiara Mastroianni (die lustigerweise im Film die von ihr nicht besonders wohlgelittene Schwiegertocher spielt), Mathieu Amalric, Emmanuelle Devos, Melvil Poupaud und vielen anderen breitet Desplechin sein Drama aus Irrationalität, Hass, fehlgeschlagener Liebe und familiärer Perfidie über lange 150 Minuten aus. Le Monde protokolliert, dass der Regisseur nun, nachdem er nach eigenen Aussagen bereits Filme abgedreht habe, um Schlechtes über seiner Familie, sein Land und seine Ex-Freundinnen zu verbreiten, hiermit in erster Linie wohl schlecht von sich selbst sprechen wolle. Anders lassen sich die endlosen Aneinanderreihungen von Verletzungen - so sagen sich Deneuve und Amalric, also Mutter und Sohn im Film, bei einer gemütlichen Rauchpause im verschneiten Garten, dass sie sich nie gemocht hätten -, die zwischen brillianten Beobachtungen und absurden Brutalitäten changieren, wohl auch nicht interpretieren. Ideal auf jeden Fall für all jene, die gerne Selbstzerfleischungen reicher Familien vor bigottem Hintergrund beiwohnen.
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