Ich habe sie geliebt Belgien, Frankreich, Italien 2009 – 112min.

Filmkritik

Vom Finden, Verachten und Verlieren der Liebe

Jean Lüdeke
Filmkritik: Jean Lüdeke

Lasterhafte Liebe oder das liebe Laster mit der Ehe? Frankreichs Vorzeige-Sensibelchen Daniel Auteuil trauert als lustloser Ehemann seiner jungen Lust und Leidenschaft nach.

Franzosen sind doch nicht die besseren Liebhaber, oder? Die intensivsten und schönsten Meisterstückchen des viel beschworenen Genres über die "amour fou" illuminieren die Gallier eigentlich am intensivsten. Sie reden und rechtfertigen die "Liebe" allzu gerne, aber meistens ohne Respekt und Konsequenz: So auch in dieser Lebensbeichte des Geschäfts- und Ehemannes Pierre (Daniel Auteuil), der am Ende seiner langjährigen Ehe der 30-jährigen Schwiegertochter Chloé (Florence Loiret-Caille) eröffnet, zeitlebens eine andere Frau namens Mathilde (Marie-Josée Croze) geliebt zu haben.

Anders als in Francois Truffauts tödlichem Beziehungsdrama "Die Frau von nebenan" mit Fanny Ardent und Gérard Depardieu, wird hier über fatale Fehlentscheidungen geschwätzt und getrauert, weil man(n) versäumte, ehrlich zu handeln. Regisseurin Zabou Breitman hat sich nun des lustvoll-leidlichen Themas angenommen, um die kurzweilige Romanze "Ich habe sie geliebt" in schöne, stoische Bilder voller mimischer Intensität und anschaulicher Authentizität zu bannen. Lebenslügen kann man(n) nicht einfach kompensieren, sondern sollte sie komprimieren, sonst nagen sie ein Leben lang an einem, ganz nach dem Motto: "Liebe ist das Lebenswasser aller Existenzen, und wer keinen Schluck nimmt, den bestraft die ruchlose Vernunft mit scheinheiliger Bequemlichkeit und versteckter Dauerqual". Dumm gelaufen für Pierre.

Auteuil brilliert in einer Paraderolle, in der er in Lust-Philosophiererei vertane Chancen beweint. Dies deklamiert der Mann, der sich nie traute. Es geht aber nicht um die havarierte Ehe Chloes, sondern um das eigene, gar nicht so obskure Objekt seiner prickelnden Begierden: die viel jüngere Dolmetscherin Mathilde, die Pierre im stimulierenden Ambiente Hongkongs begehrte und doch ganz bekam. Kuss statt Kopulationen prägte die damalige Situation. Umso enervierender Pierres Vorstellungen, wie es hätte sein können und müssen.

Was blieb und bleiben wird, sind Illusionen und Irritationen. Und was weiter beim Zuschauer bleibt, ist eindrucksvolles Erzählkino mit glänzend agierenden Protagonisten. Die aber bleiben bei 115 Filmminuten bisweilen in rigidem Rollenverhalten und verkrusteten Klischees kleben. Ebenso erscheint nebulös, wieso damals die sonst so selbstsichere Mathilde ausgerechnet dem diskreten Charme des Bourgeois Pierre erlag. Fazit des charismatischen wie bleiernen Rührstücks: Die explosive Liebeshölle sind wir selbst; wir bleiben aber lieber dort schmoren, weil der Trip in den Hades wesentlich überschaubarer erscheint, als ein überirdischer ParForce-Ritt in unbekannte Untiefen.

17.02.2024

4

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