John Rabe China, Frankreich, Deutschland 2009 – 134min.

Filmkritik

Der Schindler von China

Jean Lüdeke
Filmkritik: Jean Lüdeke

Gutmensch oder Nazi? Das ist hier die Frage, in einem bewegenden, bedrückenden und beeindruckenden Film über den "Schindler von China". Florian Gallenberger montiert aus historischen Versatzstücken eine bildgewaltige Emotions-Ballade, die in Deutschland einschlug wie eine Fliegerbombe.

Wer hätte das gedacht? Der Siemens-Konzern sorgt für erbauliche Schlagzeilen, auch wenn es Jahrzehnte her ist: Die Japaner greifen 1937 die damalige chinesische Hauptstadt an. John Rabe (Ulrich Tukur) protegiert Angestellte und Anwohner mit einer großen Hakenkreuzflagge vor den Kampffliegern. Das hilft, denn Japan ist zu dieser Zeit ein Verbündeter der Deutschen. Zudem wird der Geschäftsführer von europäischen Kollegen dazu gedrängt, den Aufbau einer internationalen Schutzzone zu organisieren. Das Resultat: Mehr als 200'000 gerettete Menschenleben. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wird der Rabe wegen "Kollaboration mit den Chinesen" zur Verantwortung gezogen.

Nur John Rabes in den 1990er Jahren aufgetauchte Tagebücher erzählten bisher von seinem Leben - und nun diese Verfilmung von Florian Gallenberger. Ein authentischer Plot sowie stark aufspielende Akteure sorgen für Taten und Tränen. Der Film offenbart aber ebenso, daß Rabe trotz allem im Dienste Deutschlands und seines Führers handelte. So bittet er gerade diesen mehrmals um Beistand gegen die unsäglichen Massaker der Japaner, obgleich nahezu Identisches und noch viel Grausigeres nur kurze Zeit später in Europa geschehen wird.

Keine Frage, hier ist wieder ein Kulturgutstückchen Kino rekonstruiert worden. Nichtsdestotrotz hat Regisseur Florian Gallenberger den menschelnden, ethischen Aspekt forciert, reale Figuren und authentische Ereignisse ein wenig frisiert, ergänzt oder sogar anders strukturiert. Schön zu erleben, wie der Eindruck des "Realen" durch Rabes Erzählerstimme aus dem Off gefüttert wird, assistiert durch vereinzelte Dokumentaraufnahmen, die so perfekt in das Gesamtwerk montiert wurden, dass die Grenzen bisweilen fließend erscheinen.

Insgesamt beeindruckt diese professionelle, filigran montierte Ballade - und sie hat ihr Publikum gefunden. 2009 wurde "John Rabe" siebenfach mit dem "Deutschen Filmpreis" ausgezeichnet, darunter in der Kategorie "Bester Spielfilm" und "Beste männliche Hauptrolle".

17.10.2012

3

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Kommentare

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mrroboto

vor 15 Jahren


cineast2001

vor 15 Jahren

Ein Nazi als Retter? In Chinas alter Hauptstadt Nanking vollzog sich Ende 1937 die heute fast vergessene Wandlung des deutschen Kaufmanns und NSDAP- Mitglieds John Rabe (Ulrich Tukur). Japanische Truppen hatten kurz zuvor Nanking erobert und nach Schätzungen mehr als 300 000 Einwohner der Stadt ermordet. Rabe nutzte die guten deutsch-japanischen Kontakte und richtete mit Hilfe von weiteren Helfern anderer Nationen rund um sein Haus und der Niederlassung von Siemens eine Schutzzone ein, in der mehr als 200 000 Menschen Zuflucht fanden. Es war der einzige sichere Ort in Nanking - schon von weitem gut sichtbar mit Hakenkreuzflaggen gekennzeichnet. Rabe wird in China seitdem als "zweiter Schindler" und "deutscher Buddha" geehrt.


Das große Verdienst dieses „Bio-Pics“ ist es, das hier ohne Pathos und propagandistischer Verblendung die Verdienste John Rabes während der Eroberung japanischer Truppen von Nanking gezeigt und gewürdigt werden.
Vor allem ist er anfänglich auch schwer zu fassen. Während andere angebliche „Menschenfreunde, wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg noch eine aalglatte faschistische Karriere in der Wehrmacht Adolf Hitlers machten und später am Genozid der europäischen Bevölkerung beteiligt waren, wurde John Rabe schon mit diesem Ereignis und seiner späteren Verhaftung durch die Gestapo mit dem wahren Gesicht des 3. Reiches bekannt gemacht.

Auch ist er nicht der „gottgleiche Erlöser“ und das „demokratische Gewissen“ zu dem z. B. Claus Schenk Graf von Stauffenberg, von den bundesdeutschen kriegstreibenden Verbrechern die in Afghanistan töten um ihre Kriegsgeilheit zu befriedigen, hochstilisiert wird.

Nein, in diesem „Bio-Pic“, wird erst einmal John Rabe, als egoistischer Herrenmensch, der als Rädchen im Getriebe des Nationalsozialismus wie ein Uhrwerk funktioniert und die Chinesen nur als „Kinder“ sieht, die es zu erziehen gilt, dargestellt.
Nachdem er nach Deutschland in die Siemenszentrale zurückbeordert wird und er sein (Lebens-) Werk in Gefahr sieht beginnt er gegen das System auf zu begehren. Mit jedem verlorenen Halt(die Fabrik, dem mutmaßlichen Tod seiner Frau durch die Japaner usw.), der sein festgefügtes Weltbild ins Wanken bringt fühlt er sich in seinem Tun bestätigt den Menschen in Nanking helfen zu müssen.
Vernab vom Nationalsozialismus in Deutschland, ohne auch dessen wahres Antlitz zu kennen oder in seiner Gänze eventuell zu verstehen, ist er in seiner Treue und in seiner Einfalt zum Führer davon überzeugt, das dieser von den Gräueltaten der Japaner nichts weis und er ihm helfen könnte.

Mit seinen internationalen Mitstreitern(herrlich typisch Steve Buscemi und auch herausragend Anne Consigny und einem auf postpubertär geschminkten Bubi namens Daniel Brühl) verteidigt er mit Hilfe seiner NSDAP Mitgliedschaft, Bluffs und der Furcht der Japaner vor dem Bündnispartner Deutschland die unter seine Verwaltung gestellte Schutzzone in Nanking bis zur Rückkehr von internationalen Beobachtern.

Ulrich Tukur, kann als John Rabe abermals eine außerordentlich gute schauspielerische Leistung ablegen. Der Regisseur und Oscarpreisträger Florian Gallenberger führt sein hochkarätiges Schauspielensemble mit einer einzigartigen bewegenden sichren Art durch die Geschichte des Films ohne dabei die „dunklen“ Seiten der Person John Rabe zu kaschieren.
Wir sehen einen Typus Mensch, der vielleicht nur dem damaligen deutschen “(Un-) Zeitgeistes gefolgt ist, Mitglied der NSDAP geworden ist aber schließlich vor den Gräueltaten und der Unenschlichkeit nicht die Augen verschlossen hat.


Fazit: Bewegend-emotionales Bio-Pic, das man sich unbedingt nicht entgehen lassen sollte.
Ab ins Kino und was für die Bildung tun.

Auch für diese Filmbesprechung gilt: Frei Schnauze ich schreibe was ich denke. Der Rest Deiner Wahrnehmung oder Interpretation entspringtMehr anzeigen


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